CH-Finanzplatz gerät ins Schwitzen: Gastbeitrag von Fabienne Ulrich
Das Wichtigste in Kürze
- Fabienne Ulrich ist Klimaaktivistin des Klimastreiks.
- Im Gastbeitrag schreibt Sie, dass der CH-Finanzplatz kein kleiner «Klima-Player» sei.
Mit meinem Hintergrund entspreche ich überhaupt nicht den von Kritiker*innen vorgeworfenen Klischees über die Klimastreik-Bewegung – ich habe weder studiert und wohne auch nicht in der Stadt, noch komme ich aus einer Akademiker*innen-Familie oder aus «reichen» familiären Verhältnissen.
Erst durch die Klimastreik-Bewegung wurde ich politisiert und habe angefangen, vieles zu hinterfragen. Ich habe versucht, mein Leben möglichst klima- und umweltfreundlich umzustellen. Doch dies ist nur beschränkt möglich und es gibt etliche Faktoren mit klimaschädigender Wirkung, welche ich als Einzelperson nicht beeinflussen kann.
Märchen vom ewigen Wachstum und Statussymbole
Aufgewachsen und nach wie vor wohnhaft im ländlichen Gebiet auf einem Bauernhof, schwimme ich mit meinen Ansichten in meinem Umfeld ziemlich gegen den Strom. Und auch beruflich bewege ich mich nicht in einer Welt voller Klimastreik-Sympathisant*innen.
Während meiner KV-Lehre wurde – im Nachhinein betrachtet – in den Wirtschaftsfächern keine Gelegenheit ausgelassen, uns das Wachstumsparadigma einzutrichtern. Damals habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht, dass unbegrenztes Wachstum in einer Welt mit planetaren Grenzen und begrenzten Ressourcen eine reine Utopie ist.
Bis vor kurzem hätte ich nicht daran gedacht, dass sich meine Werte derart verschieben. Ich bin jedoch sehr froh über mein bewussteres Leben mit neu gewonnenen Freiheiten. Und darüber, dass ich mich vollkommen davon entziehen kann, mit materiellen Besitztümern auftrumpfen zu müssen, um ein «gutes» und «erfolgreiches» Leben zu führen.
Die Auswirkungen der Klimakrise sind bereits seit Jahrzehnten bekannt gewesen – trotzdem haben es die institutionelle Politik und die Entscheidungsträger*innen in Konzernen (bewusst) verschlafen, rechtzeitig zu handeln. Nicht verwunderlich, da diese von diesem System profitieren – auf Kosten der Allgemeinheit und insbesondere den Menschen im globalen Süden.
Deshalb habe ich mein Vertrauen in die Mächtigen dieser Welt und dem dominanten Wirtschaftssystem verloren. Da ich nicht länger untätig zusehen wollte, habe ich mich der Klimastreik-Bewegung angeschlossen. In der Arbeitsgruppe zum Schweizer Finanzplatz war ich am Finanzplatz-Rating beteiligt, welches wir im letzten Dezember veröffentlicht haben.
Brecht die Macht der Banken und Konzerne
Aufgrund der fehlenden Transparenz bei den Finanzinstituten haben wir einen eigenen Fragebogen ausgearbeitet, welcher endlich Klarheit schaffen soll, welche Banken und Versicherungen die Klimakrise ernst nehmen und das Klimaabkommen von Paris in die Praxis umsetzen, oder aber im Widerspruch zu ihrer Selbstdarstellung agieren.
Wir wurden von zahlreichen Finanzinstituten zu einem Gespräch eingeladen, an denen ich oft teilgenommen habe. Diese Treffen und unser Rating haben mir gezeigt, wie weit der Schweizer Finanzplatz davon entfernt ist, die Dringlichkeit der Klimakrise zu erkennen und seine Verantwortung wahrzunehmen.
Bei der Schweiz handelt es sich nämlich überhaupt nicht um eine kleine Playerin, wie von Kritiker*innen gerne behauptet wird. Denn in Anbetracht des kapitalintensiven Schweizer Finanzplatzes mit Investitionen, Finanzierungen und Versicherungen von klimaschädlichen Geschäften hat die Schweiz einen grossen Hebel zur massiven Reduktion der indirekt verursachten Treibhausgasemissionen, welche massgeblich zur Klimaerhitzung beitragen.
Was mir Hoffnung gibt, um nicht an der Trägheit zu verzweifeln, ist, dass Graswurzelbewegungen durchaus einen Wertewandel in der Gesellschaft auslösen können, wie ich es bei mir selbst erlebt habe. Dadurch wird der Druck auf Entscheidungsträger*innen in Politik und Wirtschaft noch grösser, endlich zu handeln!