CO2-Kompensation und Netto-Null-Ziele – gefährliche Mythen

Milena Hess
Milena Hess

Bern,

CO2-Kompensation und -Entnahme oder auch Netto-Null-Ziele vereinfachen, was eigentlich viel komplexer ist. Vier Mythen und was an ihnen problematisch ist.

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Abgase strömen aus dem Auspuff eines Autos. (Symbolbild) - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Kampf gegen den Klimawandel wird oftmals vereinfacht, was eigentlich kompliziert ist.
  • Was die Gefahr daran ist, erklärt Milena Hess im Gastbeitrag vom Klimastreik Schweiz.

1. Mythos: «Bäume pflanzen!»

Mit der Speicherung von Kohlendioxid in Bäumen oder im Boden kann viel kompensiert werden, so lautet das «Happy End» dieser Geschichte. Doch da gibt es ein paar Denkfehler:

Das Speichern von Kohlendioxid in Pflanzen oder auch im Boden ist nicht langfristig. CO2, das in Bäume gespeichert wird, kann bei einem Waldbrand wieder freikommen. Ausserdem ist die Kapazität, welche so gespeichert werden kann, limitiert.

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Bäume im Wald - dpa/dpa/picture-alliance/Archiv

Zudem: Wichtiger als «Bäume pflanzen» ist es, alte Wälder in Ruhe zu lassen! Je älter ein Wald, desto mehr CO2 können Bäume und Boden speichern. Das CO2, welches gefällte Bäume freigeben, kann von neuen Bäumen erst nach einigen Hunderten von Jahren wieder aufgefangen werden. Diese Zeit haben wir nicht.

Ausserdem werden beim Anpflanzen neuer Bäume in den Tropen oft die Rechte lokaler Gemeinschaften verletzt, indem sie zum Beispiel deren Versorgung mit Lebensmitteln gefährden.

2. Mythos: «Netto Null-Ziel 2050»

Die meisten Länder richten sich in ihrer Klimapolitik nach diesem Märchen. Doch dabei wird das Allerwichtigste vergessen - das CO2-Budget!

Der Weltklimarat (IPCC) erklärte 2018 in einem Sonderbericht, dass solange nicht mehr als 420 Gigatonnen CO2-Emissionen ausgestossen werden, eine 66-prozentige Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Erderhitzung unter 1,5-Grad gehalten werden kann. Das Einhalten dieses Zieles ist schlicht überlebenswichtig.

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Eine Industrieanlage stösst Kohlenstoffdioxid aus. (Archivbild) - dpa

Einige Kipppunkte würden beim Überschreiten dieser Temperaturgrenze angestossen werden. Bei gleichbleibendem Ausstoss ist dieses Budget innerhalb von sieben Jahren aufgebraucht. Je schneller der Ausstoss sinkt, desto mehr Zeit haben wir. Kurz: Die Treibhausgasemissionen müssen JETZT sofort gewaltig sinken!

3. Mythos: «Wir werden schon die notwendigen technischen Lösungen haben und notfalls CO2 aus der Atmosphäre entnehmen»

Die Entwicklung der notwendigen Technologien ist teuer, braucht viel Energie und ihr Potenzial ist nicht bewiesen. Auf unsichere, unwahrscheinliche technische Lösungen zu vertrauen, ist gefährlich.

Ausserdem: Schon heute ist klar, dass es zusätzlich zu einer weltweiten Reduktion auf netto null Emissionen notwendig sein wird, das ausgestossene Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen. CO2-Entnahme ist also notwendig – aber auf keine Art und Weise eine Ausrede, um die Emissionen nicht drastisch zu reduzieren.

4. Mythos: «1 Tonne CO2 = 1 Tonne CO2»

Emissionen durch verschwenderischen Überkonsum können nicht mit jenen gleichgesetzt werden, die bei der Lebensmittelproduktion entstehen! Klimagerechtigkeit bedeutet, dass wir uns diesem Unterschied bewusst werden.

Aus diesem Grund ist der Kompensationshandel zwischen Ländern des globalen Südens und Nordens problematisch. Länder des globalen Südens können ihre eigenen Netto-Null-Ziele nicht erreichen, wenn sie gleichzeitig anderen Länder helfen sollen, deren Emissionen zu reduzieren.

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Demonstranten tragen am Tag des 4. globalen Klimastreiks ein Transparent mit der Aufschrift «Green Friday statt Black Friday» durch eine Strasse. - dpa

Dabei sind es ja gerade diese Orte, wo die Emissionen für notwendigere Anliegen wie die Produktion von Lebensmitteln oder den Aufbau einer sicheren Infrastruktur aufgewendet werden.

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