EU

«Economiesuisse: Schalmeienklänge oder knallharte EU-Politik»

Hans-Ulrich Bigler
Hans-Ulrich Bigler

Knonaueramt,

Hat economiesuisse seine Strategie bezüglich der Schweiz-EU-Verhandlungen geändert? Nau.ch-Kolumnist Hans-Ulrich Bigler würde dieser Sichtweise widersprechen.

kolumne Bigler
Hans-Ulrich Bigler schreibt regelmässig Kolumnen für Nau.ch - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • In seiner neusten Kolumne schreibt Hans-Ulrich Bigler über die Schweiz-EU-Verhandlungen.
  • Er wundert sich über einen vermeintlichen Strategiewechsel bei economiesuisse.
  • Einen solchen sieht Bigler bei genauerer Betrachtung jedoch gar nicht.

Zu Beginn dieser Kolumne steht eine Kapitulationserklärung: «Es fehlt eine Leaderfigur.» Es geht um die Verhandlungen zum Schweiz-EU Dossier und die Frage, was die Wirtschaft zum Verhandlungspaket konkret unternimmt.

Der Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, Roland Müller, gesteht mit dieser Aussage im «NZZ»-Interview Ende März gleich zwei fundamentale Probleme ein. Einerseits gibt es aus Sicht des Arbeitgeberverbandes und economiesuisse keine Persönlichkeiten, die sich exponieren wollen. Und andererseits hat die Wirtschaft ein Glaubwürdigkeitsproblem.

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Christoph Mäder ist der Präsident von economiesuisse. - keystone

Ende April lässt der Präsident von economiesuisse, Christoph Mäder, in der «Tagesanzeiger»-Headline verlauten: «Wir brauchen einen Schutz gegen zu hohe Zuwanderung.»

Damit will er die Kritik an der Personenfreizügigkeit abfedern und Verständnis für die Vorbehalte in der Bevölkerung signalisieren. Die Medien nahmen dies verschiedentlich auf und sprachen von einem Strategiewechsel.

Strategiewechsel, der jedoch keiner ist

Wer allerdings hinter die Kulissen schaut, kommt zu einem anderen Schluss. Zwar wird im Hinblick auf die Zuwanderung von Arbeitnehmenden neuerdings eine Schutzklausel gefordert.

Ein Blick auf die Webpage in der Dossierführung der EU-Vertragsverhandlungen zeigt hingegen keine inhaltlichen Änderungen. Im altbekannten Kampagnenmodus werden die Vorteile schöngefärbt und die Nachteile geflissentlich verschwiegen.

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Bundespräsidentin Viola Amherd links, und Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin, posieren vor der Schweizerfahne und der Europafahne, am 18. März 2024 am Sitz der EU-Kommission in - keystone

Auch wenn die economiesuisse-Spitze beteuert, sie könne erst bei Vorliegen eines Vertragsentwurfs abschliessend Stellung nehmen, ist die Kampagnenarbeit für ein neues Institutionelles Rahmenabkommen, das gerne mit dem Begriff Bilaterale III getarnt wird, angelaufen.

Gut informierte Kreise wissen, dass mit «Furrerhugi» eine EU-affine Agentur beauftragt wurde. Die Mitglieder haben deren Kosten mit entsprechenden Unterstützungsbeiträgen zu alimentieren.

Diese Woche wurde weiter bekannt, dass eine Verdoppelung des jährlichen Kampagnenbudgets zumindest diskutiert wird. Ein Insider meinte dazu lapidar: «Wenn etwas nicht funktioniert, dann noch mehr vom selben.» Und damit sind wir bei der Frage der Glaubwürdigkeit. Glaubwürdigkeit lässt sich nicht kaufen.

Widerspruch bei «fremden Richtern»

Auf der Webpage lesen wir: «Das Paket, das der Bundesrat mit der EU aushandeln will, ist der richtige Weg.»

Gehen wir dazu dem Faktencheck von economiesuisse nach. Dazu steht unter anderem: «In den bilateralen Verträgen sind sowohl heute als auch künftig keine ‹fremden Richter› vorgesehen.»

Im Gegensatz zu dieser Aussage sagt das von der EU publizierte «Common Understanding»: Die Anwendung aller EU-Rechtsbegriffe erfolgt nach der Beurteilung des Europäischen Gerichtshofes und diese sind für das Schiedsgericht im Streitfall bindend.

Mehr noch: Stellt das Schiedsgericht fest, dass die Schweiz gegen das Abkommen verstösst, so kann die EU im betroffenen oder jedem anderen Binnenmarktabkommen eine Auswahl von verhältnismässigen Ausgleichsmassnahmen ergreifen.

Sollte die Schweiz mehr mit der EU zusammenarbeiten?

Konkret bedeutet das: Würde die Schweiz beispielsweise wegen einer inakzeptablen Zuwanderung gegen die Personenfreizügigkeit verstossen, so könnte die EU die Forschungszusammenarbeit unter Horizon Europe aufkündigen. Fremde Richter in Abrede stellen ist also nichts als Schönfärberei.

Wer mit den EDA-Vertretern im Gespräch ist, erhält zudem unverhohlen den Hinweis, dass die Schiedsgerichtsbarkeit nicht Teil des Verhandlungsmandats sei. Konkret sind also keine Verbesserungen zu erwarten.

Und damit wird dann eben auch offensichtlich, dass bei economiesuisse weder ein Strategiewechsel noch ein Eingehen auf die Bedenken der Bevölkerung stattgefunden hat.

Das Statement «Nun ist der Bundesrat gefordert, geschlossen für die Verhandlungen einzustehen und diese in allen Aspekten zu unterstützen» spricht dafür Bände.

***

Zur Person: Hans-Ulrich Bigler ist Ökonom und war von 2008 bis 2023 Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV). Er ist im Vorstand mehrerer Verbände, darunter auch das Nuklearforum Schweiz, und sass von 2015 bis 2019 für die FDP im Nationalrat. Heute ist Bigler SVP-Mitglied.

Kommentare

User #2480 (nicht angemeldet)

Finde es stossend, wenn die economiesuisse meint überall mitreden zu müssen. Auch dann noch, wenn ihre Meinung gar nicht gefragt ist. Man hat das deutlich bei der Abstimmung zur AHV beobachten können. Meiner Meinung nach wäre bei solchen Institutionen mehr Zurückhaltung gefragt.

User #1586 (nicht angemeldet)

Nicht einmal Glühbirnen und Flaschen werden bei uns hergestellt. Angeblich rentiert es nicht mehr in der Schweiz zu produzieren. Alles schöne Worte.

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