Giuseppe Gracia zum 1. August: Macht der Nationalfeiertag noch Sinn?

Der Schriftsteller Giuseppe Gracia beleuchtet anlässlich zum 1. August Fragen um die Sinnhaftigkeit von Nationalfeiertagen und Patriotismus.

Giuseppe Gracia.
Giuseppe Gracia, Schriftsteller, Publizist und Kommunikationsberater. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Sind Nationalfeiertage und Patriotismus noch zeitgemäss?
  • Auf diese Frage geht der Schriftsteller und Publizist Giuseppe Garcia ein.
  • In dem Gastbeitrag beleuchtet er auch, ob der Patriotismus noch zeitgemäss ist.

Was ist im Zeitalter von Multikulturalismus und Globalisierung noch der Sinn eines Nationalfeiertags? Wie zeitgemäss ist der Glaube an eine souveräne, identitätsstiftende Territorialgemeinschaft? Gefährden Patriotismus und nationale Abgrenzung nicht den Frieden?

Nationales Denken und Patriotismus haben keinen guten Ruf, nicht erst seit der Globalisierung und schon lange vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Besonders der Patriotismus steht im Verdacht, die friedliche Koexistenz der Völker zu gefährden. Spätestens seit dem 2. Weltkrieg und der Angst vor einem neuen Faschismus ist das Misstrauen gegen den Nationalstaat ein stetiger Begleiter der Politik.

Was sagen Sie: Macht es noch Sinn, den 1. August zu feiern?

Westliche Meinungsführer orten die Ursache von Rassismus, Imperialismus und Totalitarismus nicht selten im nationalen Denken. Sie sehen in der Überwindung nationaler Identitäten den Weg zur Überwindung von Krieg und Faschismus.

Auch in den Medien oder im Kulturbetrieb scheinen sich viele ein transnationales Zeitalter zu wünschen. Eine globalisierte Welt, so wird suggeriert, braucht keine souveränen Nationen mit eigener Kultur. Vielmehr entwickelt sich angeblich alles hin zu einem Multilateralismus auf Augenhöhe mit globalen Herausforderungen und offenen Grenzen.

Stimmen der Schweiz
Sind Nationalfeiertage noch zeitgemäss? - Keystone

Passend dazu fühlen sich progressive Zeitgenossen gern als Weltbürger. Wobei auffallend ist, dass diese Zeitgenossen zum Kreis der Privilegierten gehören. Nur Vermögende, die sich Häuser und Unternehmen auf verschiedenen Kontinenten leisten können, oder gut ausgebildete Arbeitskräfte, die international gesucht sind, kommen in den Genuss, sich als Weltbürger zu fühlen.

«Anywheres» und «Somewheres»

Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung gehört nicht zu diesen Auserwählten. Milliarden von Menschen bleiben auch heute noch an ihre Heimat gebunden. Sie können diese nicht einfach wechseln, wenn Abstieg, Armut oder Krieg drohen. Sie sind angewiesen auf den Zusammenhalt ihrer Familie, auf die Integrationskraft ihrer Kultur und Religion.

Der englische Publizist David Goodhart spricht in diesem Zusammenhang von einem neuen Klassenkampf zwischen «Anywheres» und «Somewheres». Die Privilegierten sind die «Anywheres», die von offenen Grenzen und globalen Märkten profitieren, da sie theoretisch «überall» leben können. Während die «Somewheres» – etwa in nicht akademischen Berufen oder in lokalen Kleinunternehmen –, an einen bestimmten Ort, an eine bestimmte Sprachregion gebunden sind. Sie brauchen eine Politik, die sie schützt und die darauf achtet, dass die «Somewheres» nicht unter die Räder kommen.

Freiheit bedingt einen verantwortungsfähigen Staat

Eine Gesellschaft von Freien und Gleichen braucht einen starken, aus sich selber heraus handlungs- und verantwortungsfähigen Staat. Einen Staat, der für Recht und Ordnung sorgen und sich notfalls verteidigen kann, auch militärisch. So, wie die Regierung angewiesen ist auf loyale, gesetzestreue Bürger, die ihr Land lieben und sich dafür einsetzen.

Ein Staat wie die Schweiz ist dazu geschaffen, den Menschen ein Leben in Freiheit zu ermöglichen, mit den Instrumenten der direkten Demokratie, des Föderalismus und der freien Marktwirtschaft. Der Nationalfeiertag erinnert an diese Tatsache. Er erinnert an die Bedingungen der Möglichkeit unserer Freiheit. Er erinnert an die geistigen und moralischen Wurzeln unserer Privilegien.

Es sind nicht Nationalstaat und Patriotismus, die eine Gefahr für den Frieden darstellen, sondern es ist das utopische Denken. Einerseits die Utopie der Vergötterung des Nationalstaates, weil sie zu Aggressionen führt. Andererseits die Utopie einer Elite, welche die Globalisierung für den Traum einer neuen Weltordnung missbraucht.

Je globaler aber eine Politik wird, desto grösser ihre Einfluss- und Machtsphäre, desto zentralistischer die Massnahmen, um internationale Programme durchzusetzen. Desto weniger Spielraum für die einzelnen Länder und Regionen, desto weniger Freiheit und Mitbestimmung.

Patriotismus gefährdet den Frieden laut Giuseppe Gracia nicht.
Stimmen der Schweiz - Keystone

Der Traum vom Weltbürgertum – innerhalb der EU auch nur schon der Traum von der Unionsbürgerschaft –, lässt sich schliesslich nur zum Preis von weniger Föderalismus und Demokratie realisieren.

Eine Kultur der Selbst- und Mitbestimmung ist jedoch eine föderalistische Kultur, getragen von freiheitlich und verantwortungsvoll gesinnten Menschen. Diese können sich nur entfalten unter dem Schutz einer selbstbewussten, identitätsstiftenden Nation. Einer Nation wie der Schweiz, die am 1. August zu Recht gefeiert wird.

Zum Autor: Giuseppe Gracia (54) ist Schriftsteller und Kommunikationsberater. Sein neues Buch: «Die Utopia Methode».

Kommentare

User #4698 (nicht angemeldet)

Bin auch für die SVP

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