Jacqueline Badran (SP): Ausverkauf von Grund und Boden stoppen
Weshalb der Ausverkauf unseres Bodens (auch) auf lokaler Ebene gestoppt werden muss und wie man das macht. Ein Gastbeitrag von Nationalrätin Jacqueline Badran.
Das Wichtigste in Kürze
- Jacqueline Badran ist SP-Nationalrätin.
- Auf Nau.ch schreibt sie einen Gastbeitrag.
Liebe Leute, wir haben ein Problem. Und das seit gut 20 Jahren. Aber wir haben auch eine Lösung – seit mehr als 700 Jahren. Jetzt müssen wir nur noch das Problem anerkennen und die Lösung umsetzen.
Zuerst zum Problem: Seit der Jahrtausendwende wird unser Boden ausverkauft. An wen? Immobilienfonds, Anlagegesellschaften und Immobilienkonzerne.
Zusammengefasst: das anonyme Kapital. Welches Interesse hat dieses? Die höchstmögliche Rendite zu erzielen. Fonds für Rendite.
Zu was das führt, sollte uns mittlerweile allen klar sein: missbräuchliche Mieten in der Höhe von jährlich zehn Milliarden Franken – finanziert von uns allen mit unseren Löhnen.
Eigentlich ist die Mietrendite in der Schweiz rechtlich gedeckelt. Abhängig von den Kosten – Baukosten, Kapitalkosten und Instandhaltung.
Aber das ist den Immobiliengesellschaften egal – die Mieter und Mieterinnen müssten ja wissen, dass sie sich überhaupt wehren dürfen und wie sie sich wehren können.
Liebe Leserinnen und Leser, diese jährlich zehn Milliarde Franken missbräuchliche Rendite ist der grösste volkswirtschaftliche Skandal, das ist der Kaufkraftkiller Nr. 1 in der Schweiz.
Gleichzeitig subventionieren wir die Immobilienbranche jährlich mit Milliarden Franken. Wir bezahlen mit unseren Steuern für die Infrastruktur.
Sei es ein neues Schulhaus, öffentlicher Verkehr oder ein Park. Jede dieser Investitionen steigert den Ertragswert der Immobilieneigentümer.
Beteiligen sich die Immobilienfonds an der Investition? Nein. Streichen die Immobilienfonds massive und obendrauf leistungsfreie Gewinne ein? Ja – die sogenannten Infrastrukturgewinne.
Werden diese Milliarden-Aufwertungsgewinne besteuert? Fehlanzeige.
Die Lösung heisst «kollektives Eigentum»
Die Immobilienwirtschaft wirkt wie ein grosser Staubsauger, der volkswirtschaftliche Ressourcen absaugt. Das ist ein grosses Problem.
Jetzt zur Lösung: Die Lösung heisst «kollektives Eigentum», weiter bekannt als Genossenschaften.
Wie diese Lösung umgesetzt werden kann, zeige ich an einem anschaulichen Beispiel: Wetzikon, die sechst grösste Stadt im Kanton Zürich. In Wetzikon wird am 3. März über die «Wohninitiative» abgestimmt.
Die Wohninitiative fordert, dass in Wetzikon mindestens ein Fünftel aller Mietwohnungen im Besitz von gemeinnützigen Genossenschaften ist.
Konkret heisst das: Ein Fünftel aller Mietwohnungen soll kollektiv den Menschen gehören, die drin Wohnen – ohne dass sie zuvor ein hohes Eigenkapital geerbt haben müssen.
Für diese Initiative ist in Wetzikon höchste Zeit. Auch Wetzikon ist von dem massiven und stetigen Ausverkauf des Bodens an das anonyme Kapital stark betroffen.
Während private Personen – also die «Häuslibsitzer» – immer weniger Boden besitzen, kaufen sich Immobilienfonds den Wetziker Boden auf.
Nur schon da müssen die Alarmglocken läuten. Gleichzeitig steigen die Mieten für neue Wohnungen Jahr für Jahr.
Die mit der Wohninitiative vorliegende Lösung ist schon seit Jahrhunderten bekannt. Leider geht es in wohnpolitischen Debatten oft vergessen: Boden gemeinsam zu besitzen und nutzen, ist eine Schweizer Tradition.
Bereits die «Genossamen» von Uri bekämpften die feudalen Grundherren und den überrissenen «Zehnten», den sie zweimal jährlich von ihrer Ernte dem Adel oder den Klöstern abtreten mussten.
Das war übrigens einer der zentralsten Punkte der «bürgerlichen Revolution» zwischen den 17. und 19. Jahrhundert.
Die, die sich heute «bürgerlich» nennen, bekämpfen jeden einzelnen Schritt in die Richtung von kollektivem Eigentum – auf jeder Ebene: national, kantonal und sogar lokal.
Geschichtsvergessen und volkswirtschaftsschädigend nenne ich das.
Die Genossenschaften sind nicht nur für die Bevölkerung ein grosser Gewinn. Auch die Gemeinde und insbesondere die Budgets der Gemeinden profitieren davon.
Das ist Win-win auf höchstem Niveau!
Dafür sind zwei Schritte nötig: Man kaufe als Gemeinde Land. Man stelle das gekaufte Land im Baurecht einer Genossenschaft zur Verfügung.
Einerseits macht die Genossenschaft faire Mieten und die Mieterinnen und Mieter müssen keine überrissene Rendite bezahlen und ihnen gehören obendrauf noch die Wohnungen.
Andererseits spült es der Gemeinde über die Baurechtszinsen auf Ewigkeiten Geld in die Kassen.
Gleichzeitig bleiben jegliche Infrastrukturgewinne im Volksvermögen – endlich bezahlen und profitieren die Gleichen.
Das ist Win-win auf höchstem Niveau! Für die Gemeidefinanzen und für die Bevölkerung.
Also: Ja zur Wohninitiative in Wetzikon und überall sonst. Werdet aktiv und wehrt euch gegen den Ausverkauf des Bodens – der gehört uns allen statt dem anonymen Kapital.
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Zur Autorin: Jacqueline Badran ist Nationalrätin für die SP und Unternehmerin. Sie wohnt mit ihrem Mann in Zürich.