Klimastreik: Zeitreich und emissionsarm in die Zukunft
Am 9. April findet ein Aktionstag des Strike for Future zum Thema «Arbeitszeitverkürzung» statt, welcher unter anderem von Klimastreik mitorganisiert wird.
Das Wichtigste in Kürze
- Milena Hess erklärt im Gastbeitrag, weshalb eine Verkürzung der Lohnarbeit so wichtig ist.
- Ab einer bestimmten Einkommenshöhe steigen die Emissionen einer Privatperson besonders an.
- Ein Gastbeitrag von Klimastreik Schweiz.
Wir stossen gerade an viele Grenzen gleichzeitig. Mit Vollgas rasen wir über planetare Grenzen hinweg. Gleichzeitig öffnet sich die soziale Schere. Mehr und mehr Menschen leben in finanzieller Unsicherheit. Weil unser kapitalistisches Wirtschaftssystem von Wachstum abhängig ist, werden Menschen als Arbeitskräfte und Biodiversität als Ressource weiterhin ausgebeutet.
Kein Wunder, dass sich in den letzten Jahren die Krisen häufen. Sie verstärken sich gegenseitig und drehen das Volumen für bestehende soziale Ungerechtigkeiten noch weiter hoch.
Nun stell dir vor, es gäbe eine Möglichkeit, sowohl die ökologische Krise anzugehen, soziale Ungerechtigkeiten zu bekämpfen und dabei als Gesellschaft um einiges glücklicher zu werden? Viele Forschende meinen, dass wir mit der Arbeitszeitverkürzung - also wenn wir weniger Stunden Lohnarbeit verrichten - eine solche Möglichkeit gefunden haben.
Wie soll diese Reduktion genau aussehen?
Diesen Fragen sind Forschende der Uni Bern in der Studie «Weniger ist mehr – Der dreifache Gewinn einer Reduktion der Erwerbsarbeitszeit» nachgegangen.
Das Forschungsteam der Uni Bern hat sich mit dem Verhältnis von Einkommen und Emissionen sowie Einkommen und Wohlbefinden auseinandergesetzt. Dabei stellen sie fest, dass ab einer bestimmten Einkommenshöhe die von der Person verursachten Emissionen besonders ansteigen, mehrheitlich aufgrund des massiven Konsums von Luxusgütern.
Gleichzeitig sinkt auch ungefähr bei jener Einkommenshöhe das Wohlbefinden, da verschiedene Studien belegen, dass Geld statistisch gesehen nur solange «glücklich macht», bis die Grundbedürfnisse gedeckt sind. In dem Lohnbereich, in welchem das Wohlbefinden der Menschen mit dem Lohn wächst, soll es nach den Forschenden einen vollen Lohnausgleich bei weniger Arbeit geben. Danach soll der Ausgleich abnehmen und schliesslich bei sehr hohen Löhnen gänzlich ausfallen.
Im Klimaaktionsplan fordern wir eine Reduktion von 41 schrittweise auf 24 Stunden pro Woche bis 2030. Wie die übriggebliebene Erwerbsarbeit auf die Woche oder auch das Jahr verteilt werden soll, könnte je nach Arbeit unterschiedlich gestaltet werden.
Und wie soll dieser Lohnausgleich bezahlt werden?
Eine Arbeitszeitverkürzung finanziert sich selbst, denn sie ist der rechtmässige Lohn für die bereits geleistete Arbeit. Obwohl die Produktivität seit dem Landesstreik um ein Vielfaches gestiegen sind, stagnieren die Reallöhne seit Jahrzehnten und die Arbeitswoche hat sich in hundert Jahren nicht einmal um einen ganzen Arbeitstag verringert.
Doch was ist denn mit dem Profit aus der massiv gesteigerten Produktivität geschehen? Dieser floss den zu einem grössten Teil den Allerreichsten zu. Eine Arbeitszeitreduktion korrigiert diese Ungerechtigkeit - zumindest teilweise.
Einige der Vorteile: Weniger Emissionen und Ressourcenverbrauch
Wenn weniger gearbeitet wird, dann werden auch weniger Ressourcen verbraucht und die Emissionen sinken. Einerseits weil Menschen zum Beispiel nicht mehr jeden Tag pendeln müssen und weniger produziert wird, andererseits nimmt der Konsum von emissionsintensiven Luxusgütern durch die Reichsten unserer Gesellschaft ab.
Die Berner Studie erklärt, dass auf jeden Fall Emissionen reduziert werden, wenn die Erwerbsarbeit reduziert wird. Doch die Grösse dieses Effekts hängt stark von der Art und Weise ab, wie Menschen ihre neue freie Zeit nutzen. Wenn Menschen mehr Zeit mit ihren Freund*innen und Familien verbringen, dann reduziert das mehr Emissionen, als wenn sie ihre Freizeit teuren SUVs widmen.
Mit weniger Erwerbsarbeit gegen das Patriarchat
Eine Reduktion der Erwerbsarbeit wird von Feminist*innen seit Jahrzehnten gefordert. In unserem patriarchalen System wird Care-Arbeit - also alle Tätigkeiten, die pflegen, sorgen, erhalten, erziehen - insbesondere von Frauen getätigt und gleichzeitig zumeist nicht (oder äusserst schlecht) bezahlt.
In der Schweiz wurden 2016 9,2 Milliarden Stunden bezahlt gearbeitet, während im Vergleich dazu im selben Jahr 7,9 Milliarden Stunden unbezahlte Haus- und Familienarbeit verrichtet wurde!
Um diese zusätzliche Arbeit zu leisten, arbeiten tendenziell mehr Frauen in Teilzeitstellen und sind daher durchschnittlich finanziell schlechter gestellt. Aus einer feministischen Sicht ermöglicht eine Arbeitszeitverkürzung, eine gerechtere Verteilung der Sorgearbeit.