Lasst Euch impfen – aus Vernunft und Verantwortung
Impfen ist eine ungemein erfolgreiche Kulturtechnik. Sie hilft uns auch bei Covid aus dem Schlamassel. Nutzen wir sie, schreibt der Freidenker im Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Für Andreas Kyriacou ist Impfen ein wichtiges Mittel, um Covid in Schach zu halten.
- Die Freidenker rufen dazu auf, sich impfen zu lassen.
- Und sie laden dazu ein, ebenfalls öffentlich zu sagen «klar lass ich mich impfen».
Wer erinnert sich noch an Polio? Die meisten von uns kennen die sogenannte Kinderlähmung wohl am ehesten von grausligen Abbildungen von Eisernen Lungen, diesen monströsen Stahlkapseln, in denen Mitte des letzten Jahrhunderts schwer erkrankte Personen maschinell beatmet wurden.
Lieber ein Pieks als eine Kur in der Eisernen Lunge
Polio ist eine ausserordentlich heimtückische Infektionskrankheit und man unternahm alles, um Erkrankten zu helfen. So beängstigend die Eiserne Lunge ausschaut, bot sie vielen die Aussicht auf Linderung, denen das Virus die Atemwegmuskulatur gelähmt hatte – vor der Erfindung der Eisernen Lunge bedeutete eine solche Lähmung den sicheren Tod.
Die Krankheit wird über Schmier- oder Tröpfcheninfektionen übertragen. Hygienemassnahmen senken das Risiko, aber weitgehend losgeworden sind wir das Virus erst dank der Impfung, denn Polioimpfstoffe sind hochwirksam.
Dank der Impfung: das Pockenvirus ist ausgerottet, das Poliovirus fast
Es soll nicht verschwiegen werden, dass Lebendimpfstoffe in seltenen Fällen die Krankheit auslösen können. Der Hauptgrund, dass Polio in einigen afrikanischen Ländern wieder punktuell auftritt, ist aber ein ganz anderer: Wegen der Corona-Pandemie kamen Polioimpfprogramme in mehreren Ländern zum Erliegen.
Diese Programme werden nach und nach wieder aufgenommen, aber es bleibt eine Herausforderung: Rund 90 % der Kinder müssen geimpft werden, um die Zahl der Übertragungen so stark zu reduzieren, dass das Virus wieder aus einer Bevölkerung verschwindet.
«Nur» ein Prozent schwere Verläufe bei Polio – dennoch Grund zum Handeln
Nicht nur die möglichen drastischen Folgen einer Infektion haben wir bei Polio aus den Augen verloren, sondern auch die Tatsache, dass «nur» rund ein Prozent der Infizierten wirklich schwere Folgen davon tragen. Bei etwa 95 Prozent verläuft eine Polioinfektion asymptomatisch.
Rund fünf Prozent machen eine mehrtägige Erkrankung mit Fieber und Halsschmerzen durch, oft begleitet von Durchfall und Erbrechen. Bei fünf bis zehn Prozent derjenigen, die diese klaren Krankheitssymptome erleiden, greift das Virus das Zentralnervensystem an. Die Folgen sind die bekannten Lähmungen. Bei einigen bilden sich diese Symptome innerhalb eines Jahres zurück, andere tragen aber Langzeitfolgen davon oder sterben, weil eben beispielsweise die Atemwegmuskulatur betroffen ist.
Auch bei Corona gilt: Mit der Impfung schützen wir uns und andere
Bei Polio empfinden wir es auch heute noch als Selbstverständlichkeit, dass wir alles unternommen haben, um unnötige Opfer zu vermeiden, obschon das konkrete Erkrankungsrisiko für den und die Einzelne vergleichsweise klein ist.
Es gibt keinen rationalen Grund, dies bei Covid anders zu sehen. Wir wissen inzwischen, dass die in der Schweiz zugelassenen Covid-Impfstoffe nicht nur einen hohen Schutz gegen eine Erkrankung bieten, sondern auch das Risiko deutlich mindern, dass man andere ansteckt, falls man doch mit dem Virus in Berührung kommt. Genauso wie bei Pocken oder Polio gilt auch bei der Covid-Impfung: Die Impfung ist zugleich ein eigennütziger wie auch ein solidarischer Akt: Man schützt sich und andere.
Kampagne der Freidenkenden: Klar lass ich mich impfen
Die Freidenkenden machen mit einer Plakat- und Social-Media-Kampagne auf diesen Aspekt aufmerksam: Mitglieder und andere Personen stehen mit ihrem Gesicht hin und sagen: «Klar lass ich mich impfen – aus Vernunft und Verantwortung».
Wie bei Polio brauchen wir die Impfung, um das Virus in Schach zu halten. Hilf doch auch mit, dies noch Unentschlossenen klar zu machen. Danke!
Zum Autor: Andreas Kyriacou ist Präsident der Freidenker-Vereinigung der Schweiz (FVS), Gründer des Wissensfestivals Denkfest und des humanistisch und wissenschaftlich ausgerichteten Sommerlagers Camp Quest sowie NGO-Vertreter am UNO-Menschenrechtsrat.
Die FVS vertritt die Anliegen der nicht religiösen Bevölkerung und setzt sich insbesondere für eine weltlich-humanistische Ethik, die Hochhaltung der Menschenrechte und die Trennung von Staat und Kirche ein.