Bin ich ein Co-Narzisst? Nimm dich selbst unter die Lupe!
Narzissmus-Expertin Chris Oeuvray erklärt in ihrer neuesten Kolumne, warum dich deine eigentliche Stärke in die Erschöpfung treiben kann.

Das Wichtigste in Kürze
- Chris Oeuvray ist Narzissmus-Expertin.
- Heute erklärt sie, was Co-Narzissten sind und wie sie ticken.
«Ich weiss nicht, wie es so weit kommen konnte.» So begann das Gespräch mit einer meiner Klientinnen. Sie war eine erfolgreiche, kluge Frau. Immer für andere da, immer mit einem offenen Ohr.
Doch nach Jahren an der Seite eines Narzissten war sie am Ende. «Ich dachte, wenn ich ihn nur genug liebe, wird er mich irgendwann genauso lieben. Aber stattdessen habe ich mich selbst verloren.»
Was sie erlebt hat, passiert vielen – ohne dass sie es bemerken.
Menschen, die in Beziehungen mit narzisstischen Partnern, Eltern oder Freunden sind, geben mehr, als sie sich leisten können. So lange, bis nichts mehr übrig ist.
Wie tickt ein Co-Narzisst?
Ein Co-Narzisst ist kein Narzisst. Er steht aber in einer ungesunden Verbindung zu einem.
Er nimmt die Rolle des Gebers ein, während der Narzisst nimmt. Er erkennt die Leere und Not des Narzissten. Und er gibt alles, um diese zu füllen.
Extrem empathisch: Du fühlst, was andere fühlen. Oft sogar mehr als deine eigenen Bedürfnisse.
Hohe Sensibilität: Du spürst feinste Schwingungen, erkennst Stimmungen und reagierst sofort.
Verantwortungsbewusst bis zur Selbstaufgabe: Du glaubst, es liegt an dir, alles zu richten.
«Ich muss stark sein»: Du lässt dir keine Schwäche anmerken und funktionierst immer weiter.
Unbewusste emotionale Abhängigkeit: Dein Selbstwertgefühl hängt davon ab, gebraucht zu werden.
Das Problem? Der Narzisst nimmt – und du gibst. Und das über einen langen Zeitraum, ohne es zu bemerken.

Wie Co-Narzissten sich selbst zerstören
Am Anfang fühlst du dich gebraucht – und unendlich geliebt. Doch mit der Zeit merkst du, dass du leer, erschöpft und ausgelaugt bist.
Depression: Die ständige Belastung zieht dich runter.
Burn-out: Du bist körperlich und emotional ausgebrannt.
Verzweiflung: Nichts, was du tust, scheint genug zu sein.
Lebensmüde Gedanken: Die Erschöpfung lässt dich zweifeln, ob es jemals besser wird.
Meine Klientin hat das schmerzhaft erfahren. Sie hatte das Gefühl, nur noch zu existieren, weil ihr gesamtes Leben um den Narzissten kreiste. Er war immer unzufrieden, immer fordernd. Aber er verliess sie nicht, weil sie ihm alles gab, was er brauchte. «Ich dachte, ich sei stark, aber ich war nur ausgebrannt.»
Wie du dich aus der Abhängigkeit befreist
Du kannst dich stärken: Es erfordert aber Bewusstsein und klare Schritte.
Erkenne deine eigenen Bedürfnisse: Frage dich, was DU willst – nicht nur, was andere brauchen.
Setze klare Grenzen: Du bist nicht für das emotionale Überleben anderer verantwortlich.
Lerne, Nein zu sagen: Nein ist kein Angriff – es ist Selbstschutz.
Suche Unterstützung: Therapie, Coaching, ein gutes Sachbuch oder der Austausch mit anderen Betroffenen können helfen.
Stärke dein Selbstwertgefühl: Du bist wertvoll – auch wenn du nichts für andere tust.
Co-Narzissten sind starke, liebevolle Menschen, aber sie verbrauchen sich für andere.
Wenn du dich wiedererkennst, frage dich: Ist das noch Liebe – oder schon Selbstaufgabe?
Deine Meinung ist gefragt!
Hast du dich schon einmal in einer Co-Narzissmus-Dynamik wiedergefunden? Wie hast du dich daraus befreit? Schreib es unten in die Kommentare!
Zur Person: Chris Oeuvray ist Expertin für Narzissmus, psychologische Beraterin und Autorin («Narzissmus – ohne mich», weitere Bücher auf ch-oeuvray.ch) aus Zug.