Liebe SVP, wir müssen reden
Unser linksgrünversiffter Kolumnist macht sich Sorgen um die SVP, da jetzt Rechte weltweit untergehen.
Das Wichtigste in Kürze
- Nau.ch-Kolumnist Reda El Arbi erklärt die linksgrünversiffte Welt.
- Reda El Arbi erlangte als Blogger und Journalist Bekanntheit.
- Bis 2011 war er Chefredaktor des Satiremagazins «Hauptstadt».
- Er lebt mit Frau und zwei Hunden in Stein am Rhein SH.
Um es von vornherein klarzustellen: Ich halte, im Gegensatz zu vielen Linken, die SVP für wichtig für unser Land. Die Schweiz braucht eine starke Bauern- und KMU-Partei, und ja, auch Traditionalisten, die uns Linke ausgleichen. Ich weiss, wir Linken sind oft abgehoben, arrogant, selbstgerecht, ideologisch und auch unrealistisch. Deshalb braucht unser Land die Parteienvielfalt, in der sich die Kräfte gegenseitig ausgleichen.
Nur fällt eure Partei, liebe SVPler, immer mehr aus diesem Gleichgewicht. Die SVP-Strategie «Nichts rechts der SVP», die einmal alle rechten Wähler in der Schweiz abholen und in den demokratischen Prozess einbinden sollte, hat nun dazu geführt, dass die Lautesten der Partei nicht mehr die Bauern- oder KMU-Vertreter, sondern die Rechtsextremen und die Gegner des Schweizer Staats sind. Die Partei ist von bürgerlich-traditionalistisch zu rechtsnationalistisch gekippt. Die Rhetorik dieser Exponenten macht alle zum Feind, die nicht auf der Linie der SVP stehen, auch unsere Landesregierung und die direkte Demokratie.
Zudem ziehen diese harten Rechtsaussen ganz schräge Leute nach: Anhänger der QAnon zum Beispiel, die glauben, dass Gates uns mit Nanochips impfen will, oder Identitäre, die sich grundlegend nicht mehr mit den Schweizer Werten, unseren Stärken und unserem direktdemokratischen System identifizieren können. Leute, die den Staat hassen, unser System mit einer Diktatur vergleichen und Diktatoren, Faschisten und Autokraten bewundern. Also Leute, die genau die Werte ablehnen, für die unsere Vorfahren hart gekämpft haben. Diese Lautesten beherrschen das SVP-Bild in den Medien und in den Kommentarspalten (wie man sicher heute unter diesem Beitrag wieder nachlesen kann). Aber vergesst nicht: Die Lautesten und Gröbsten sind nicht die Meisten.
Als Reaktion auf meine letzte Kolumne bekam ich Rückmeldungen aus den kantonalen Sektionen, die mit der Zürcher Linie, und vorallem mit der diktatorischen Art, wie die Partei geführt wird, nicht einverstanden waren. Nur getrauen sich diese Leute nicht, sich öffentlich zu äussern, da dies in der streng hierarchisch geführten Partei ein Ende der Karriere bedeuten würde.
Wie das aussieht, hat man nach den letzten Wahlen in verschiedenen Kantonen gesehen. Die Zürcher kamen und räumten auf. Das ist auch der Grund dafür, dass niemand geeigneter den Job als Parteichef will: Man wär nur Ausführungsgehilfe für Befehle aus dem inneren Zürcher Kreis, müsste aber die volle Verantwortung tragen. Mit der BGI, die sicher abschifft, und weiteren Verlusten in den nächsten 12 Monaten, will sich das niemand antun. Der einzige mit starker Persönlichkeit, der wirklich eine eigene Linie fahren könnte, Alfred Heer, wird von Herrliberg nicht wirklich geliebt. Dabei gehts auch anders.
Jetzt in der Corona-Krise konnte man für einmal wieder feststellen, wie es wäre, wenn die Parteien gemeinsam ein Problem angehen. Natürlich haben die verschiedenen kantonalen Regierungen und auch der Bund nicht fehlerfrei agiert, aber wenigstens haben die Parteien wieder mal zusammengearbeitet, um eine grosse Krise zu lösen. Ich weiss, als Linker sollte ich das eigentlich nicht sagen, aber in Zürich hat Nathalie Rickli einen guten Job gemacht, auch wenn sie dafür angefeindet wird. Dafür hat Jacqueline Fehr letzte Woche den unheimlich dämlichen Vergleich zwischen Schutzmasken und Niqab gemacht. Echte Krisen kümmern sich nun mal nicht um Parteizugehörigkeit, nur um Lösungen.
Also, liebe SVPler, holt euch eure Partei zurück. Die Corona-Krise hat nämlich weltweit gezeigt, dass Rechtspopulisten immer dann verlieren, wenn echte Gefahren, die man nicht einfach mit Geschrei vertreiben kann, auftauchen. Trump hat verloren, Bolsonaro hat verloren, Netanjahu hat verloren, und die AfD verliert gerade in Deutschland. Zudem erwächst euch durch den Zusammenschluss von BDP und CVP eine starke bürgerliche Konkurrenz, die für alle diejenigen attraktiv ist, die nicht sich nicht dauernd für die unappetitlichen Äusserungen eurer extremen Exponenten entschuldigen wollen, aber trotzdem starke Schweizer Werte vertreten.