Rentner

Der renitente Rentner Blocher

Reda El Arbi
Reda El Arbi

Zürich,

Unser Kolumnist würde Christoph Blocher einen Lebensabend in Würde gönnen, glaubt aber nicht daran, dass der alt Bundesrat das noch schafft.

Findet keinen Frieden und hält die Schweiz für marode: Christoph Blocher - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Nau.ch-Kolumnist Reda El Arbi erklärt die linksgrünversiffte Welt.
  • Reda El Arbi erlangte als Blogger und Journalist Bekanntheit.
  • Bis 2011 war er Chefredaktor des Satiremagazins «Hauptstadt».
  • Er lebt mit Frau und zwei Hunden in Stein am Rhein SH.

Wir kennen sie alle: die peinlichen Familienmitglieder, die an Hochzeiten und Weihnachten durch ihr Verhalten allen auf die Nerven gehen, die man aber trotz fremdschämen irgendwie entschuldigt.

Nun hat auch die SVP einen solchen peinlichen Onkel, der zwar früher viel geleistet hat, jetzt aber mit seinen Tiraden und seinem Verhalten den anderen eher peinlich ist. Jahrelang hat die SVP sich damit gebrüstet, dass alt Bundesrat Blocher auf seine Rente verzichtet, und jetzt, kurz vor einer wichtigen Abstimmung, lässt sich der alte Herr nachträglich doch noch alles auszahlen. Dies ist seiner Tochter Martullo und seinem Ziehsohn Köppel sogar so peinlich, dass sie für ihn lügen («Er hat nie darauf verzichtet!»), obwohl er selbst auf Teleblocher seinen Verzicht zugibt und als Fehler eingesteht.

Ehrlich, ich mag dem Christoph seine 2,7 Millionen gönnen, auch wenn man damit 40 Jahre Rente für Menschen, die es wirklich nötig haben, bezahlen könnte. Aber wenn Blocher dieses Geld braucht, um endlich darüber hinwegzukommen, dass die Schweiz ihn nicht mehr als Bundesrat wollte und als einen der wenigen in der Geschichte abwählte, solls mir recht sein.

christoph blocher
Christoph Blocher spricht an einer Medienkonferenz. - Keystone

Viel mehr Sorgen mache ich mir um Blochers emotionalen Zustand. Früher sprach er in seinen Reden von der ganzen Schweiz, stolz redete er vom «Volk», er wollte, natürlich in seinem Sinne, das Beste für die Schweizerinnen und Schweizer. Das ist vorbei. In seiner letzten Rede vor der Zürcher SVP sieht er die Schweizer Gesellschaft nur noch als «marode», sieht einen Feind im Innern, bezeichnet die demokratisch gewählte Regierung als «verrottet». Deshalb will er sein Ruhegeld auch nicht dem «linksgrünen Staat» überlassen.

Das sind die Worte eines Verlierers, eines Mannes, der weder die Gesellschaft noch die Politik mitprägen kann, der keine Verantwortung mehr trägt und aufgegeben hat. Das sind auch die verbitterten Worte eines Mannes, der vorgibt die Schweiz zu lieben, aber in einer verdrehten Art alles hasst, was nicht seiner Führung folgt. Jemand, der die 75 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer, die nicht SVP wählen, als verrottet und marode bezeichnet, ist kein Doyen der Politik, kein Mann der Stärke, er ist ein frustrierter Loser.

Blocher
Christoph Blocher, alt Bundesrat. - YouTube / BBC Newsnight

Wer die Welt in eine Gruppe der Aufrechten und Gesegneten, und in alle anderen, bösen, maroden, verrotteten, aufteilt, hat bereits verloren. Blocher kann keine Mitte mehr wahrnehmen, kann keinen Konsens mehr anstreben. Und das bedeutet in einer konsensorientierten Gesellschaft wie der Schweiz das Ende. Man kann harten Wahl- oder Abstimmungskampf machen, aber man kann nicht permanent alle, die nicht dem Banner des SVP-Führers folgen, als Dreck oder Würmer verunglimpfen.

Und die SVP-Basis? Die gewählten Politiker draussen in den Gemeinden spüren dies nicht erst seit dem Wurmplakat schmerzlich. Es ist schwer, tagtäglich mit der FDP, den Mitteparteien und den Linken zusammenzuarbeiten, wenn die eigene Partei sie als Würmer und «verrottet» darstellt. Es ist auch kein Wunder, dass gestandene und selbstständig denkende SVP-Politiker wie der ehemalige Chef der Zürcher Sektion Koni Langhart die Partei verlassen, und dafür brave Parteisoldaten und Karrieristen wie Benjamin Fischer übernehmen.

Während der alte Mann aus Herrliberg martialisch zu einem letzten Gefecht (BGI) ruft, sollten sich die SVP-PolitikerInnen, die noch an der Zukunft der gesamten Schweiz interessiert sind, überlegen, wie man Politik machen will, nachdem Blocher aus Wut und persönlicher Verletzung alles eingerissen und zerstört hat, das er in den letzten 30 Jahren aufbaute.

Christoph Blocher Anker
Christoph Blocher hat zu Hause eine grosse Kunstsammlung. - Keystone

Ich mag dem Christoph Blocher einen Lebensabend in Würde gönnen. Wer den 80. Geburtstag vor Augen hat, und so eine Lebenserwartung im einstelligen Bereich erkennen kann, sollte das alte Gift, den Groll auf die Welt loslassen und seinen Lebensabend in Frieden und ohne Verbitterung verbringen.

Wenn man das nicht kann, ist man bereits in der Hölle der renitenten Rentner, die verbittert aus dem Fenster übers Quartier auf die ganze Welt schimpfen.

Zum Autor: Reda El Arbi ist 50-jährig, kommt aus Zürich und zog vor einigen Jahren nach Stein am Rhein. Grosse Bekanntheit erlangte er mit seinem Zürcher «Stadtblog» für den «Tagesanzeiger». El Arbi schreibt unverblümt, hat zu allem eine Meinung und polarisiert auch gern. Er ist verheiratet und lebt mit Frau und Hund in Stein am Rhein SH.

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