Matthias Müller (Jungfreisinn und FDP): Für eine nachhaltige AHV
Im Gastbeitrag erklärt Matthias Müller von der FDP: Wer die AHV sichern will, könne die Renten kürzen, die Steuern erhöhen – oder das Rentenalter sanft anheben.
Das Wichtigste in Kürze
- Matthias Müller ist Präsident der Jungfreisinnigen und Vizepräsident der FDP Zürich.
- Im Gastbeitrag erklärt er, weshalb die Renteninitiative die AHV nachhaltig sichern könne.
- Wer das Rentenalter tabuisiere, verschliesse die Augen vor den Gesetzen der Demografie.
Die Zukunft der AHV sieht düster aus. Das Bundesamt für Sozialversicherungen rechnet bis ins Jahr 2050 mit einem kumulierten Umlage-Defizit von rund 130 Milliarden Franken. Oder anders gesagt: Der AHV droht der Kollaps.
Die Bevölkerung kennt die Problematik. Nicht ohne Grund belegt die Finanzierung der AHV in allen Sorgen-Ranglisten einen Podestplatz. Zu Recht werden von der Politik deshalb langfristige Lösungen erwartet. Doch das Parlament mag das heisse Eisen Rentenaltererhöhung partout nicht anfassen. Das ist Feigheit vor der Wirklichkeit.
Steigende Lebenserwartung
Der Grund für diese Entwicklung liegt auf der Hand: die steigende Lebenserwartung. Bei Einführung der AHV im Jahre 1948 betrug die Lebenserwartung eines Frischpensionierten 12 Jahre. Der heute 65-Jährige darf sich dagegen einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 21 Jahren erfreuen.
Hinzu kommt: 1948 kamen auf einen Rentner 6,5 Beitragszahler. Zurzeit wird ein Rentner von 3,3 Erwerbstätigen finanziert, bis 2050 wird sich das Verhältnis auf 2,2 verschlechtern.
Höhere Steuern und Abgaben sowie Rentenkürzungen sind keine Option
Wenn immer weniger Berufstätige eine immer höhere Rentenlast schultern müssen, gibt es nur drei Möglichkeiten, an dieser Schieflage etwas zu ändern: Erstens: Der Staat muss die AHV mit noch mehr Steuergeld alimentieren. Zweitens: Die Rentenzahlungen fallen geringer aus. Oder drittens: Das Rentenalter wird sanft erhöht.
Nur: Höhere Steuern und Abgaben sind angesichts der schwierigen Wirtschaftslage kaum zu verantworten. Geringere Rentenzahlungen kommen ebenso wenig in Frage.
Renteninitiative bedeutet Nachhaltigkeit für die AHV
Derweil schreitet der demografische Wandel aber unerbittlich voran. Deshalb wagen wir uns mit der Renteninitiative an die Altersgrenze heran. Unsere Initiative schlägt vor, das Rentenalter bis 2033 von 65 auf 66 Jahre zu erhöhen. Anschliessend soll das Rentenalter an die Lebenserwartung gebunden werden. Das wird auch in vielen europäischen Ländern so gehandhabt.
Mit der schrittweisen Erhöhung des Rentenalters setzen wir zum einen beim entscheidenden Grund für die finanzielle Schieflage des Systems an: Wir werden immer älter. Unsere Initiative sorgt dafür, dass die unvermeidlichen Zusatzkosten aus der höheren Lebenserwartung fairer auf alle Generationen verteilt werden.
Die Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung bietet zudem eine nachhaltige Lösung, und sie verhindert erst noch zusätzliche – und oftmals wenig weitsichtige – politische Hauruckübungen zur kurzfristigen Sicherung der (prognostizierten) gigantischen Defizite der AHV. Was im Übrigen gilt: Sollte die Lebenserwartung wider allen Prognosen des Bundes nicht weiter ansteigen, sondern etwa sinken, so reduziert sich auch das Rentenalter.
Reiner Wein für die Bevölkerung
Entscheidend bleibt aber, dass die Politik der Bevölkerung endlich reinen Wein einschenkt. Die AHV in ihrer gegenwärtigen Form droht angesichts des gewaltigen demografischen Wandels finanziell auszubluten.
Mit ständigen kosmetischen und wenig nachhaltig wirkenden Eingriffen ist es nicht getan. Das System muss neu justiert werden mit dem Mut, die Probleme strukturell anzugehen. Wer das Rentenalter zum Tabu erklärt, verschliesst die Augen vor den Gesetzen der Demografie – und handelt unvernünftig.
Zur Person: Matthias Müller ist Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz und Vizepräsident der FDP des Kantons Zürich sowie Mitglied des Parteivorstands der FDP Schweiz. Er arbeitet als Rechtsanwalt bei einer Wirtschaftskanzlei.