Meret Schneider: Darum geht es beim Veganuary wirklich
Ex-Nationalrätin Meret Schneider (Grüne) schaut mit einer gewissen Belustigung auf den Veganuary und schreibt in ihrer Kolumne über den wahren Sinn und Zweck.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Veganuary gehe es darum, die Vielfalt der Pflanzenküche aufzuzeigen.
- Wandel sei, wenn 90 Prozent der Menschen ihr Verhalten zu zehn Prozent ändern.
- Dies schreibt Meret Schneider, ehemalige Grünen-Nationalrätin, in ihrer Kolumne.
Es ist so sicher wie die alljährliche Empörung über Erdbeeren im Januar: Der Veganuary ist in vollem Gange und die Wogen der kollektiven Emotionen und kulturkämpferischen Auseinandersetzungen gehen hoch.
Wird man auf der einen Seite bombardiert von Aktionen der orangen Detailriesen, die mit veganen Hühnerschenkeln und pflanzlichen Babybels werben, deren Inhalt sich geschmacklich kaum von der Wachshülle aussen herum unterscheidet, so greifen auf der anderen Seite die nicht minder engagierten Fleischlobbyisten zur rhetorischen Axt.
In Leserbriefen und Kommentarspalten wird über Bevormundung und Veganzwang in die Tasten gehauen und Vereine wie Carna Libertas kämpfen gegen «Essdiktatur und Fleischscham».
Währenddessen echauffieren sich Hardcore-Veganerinnen und -Veganer über pflanzliche Burgerpatties, die möglicherweise mit den fleischhaltigen Äquivalenten auf demselben Grill gebraten wurden, und namhafte Politiker lassen keine Gelegenheit aus, auf Social Media üppige Fleischmahlzeiten als Goldstandard der Bürgerfreiheit zu inszenieren.
Freude statt Fleischverbote
Als Person, die sich grossteils pflanzlich ernährt, zuweilen aber auch einen Bergkäse auf der Alp nicht verschmäht, beobachte ich das Geschehen und den absurden Sturm im Wasserglas jedes Jahr mit einer gewissen Belustigung. Nicht ohne mich zu fragen, ob wir denn tatsächlich nie dazulernen.
Der Veganuary verfolgt schliesslich nicht das Ziel, sämtliche Menschen zum lupenreinen Veganismus zu bekehren. In diesem Monat geht es darum, die Vielfalt der Pflanzenküche aufzuzeigen – mit Freude, Genuss und ohne Verbote.
Die Tatsache, dass wir uns künftig stärker pflanzenbasiert ernähren müssen, ist rein aus Ressourcengründen unumstösslich. Auch die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung konstatiert, dass wir heute dreimal so viel Fleisch essen, wie aus gesundheitlichen Gründen vertretbar wäre.
Grund genug, die Freude an Gemüse und alten Getreide- und Hülsenfrüchten zu entdecken, ohne im gleichen Atemzug ein Bratwurstverbot auszusprechen.
Wie der Wandel erreicht wird
Genau dazu bietet der Veganuary die ideale Gelegenheit. Im Zuge dessen möchte ich ein Lob an die Gastronomie und die Bauernbetriebe aussprechen: Anders als in der Politik und in Kommentarspalten, wo man sich sogleich in primär semantischen Debatten ohne reale Konsequenzen verliert, gehen Gastronomen und Bauern einfach mit gutem Beispiel voran.
Sie bieten neben anderen Angeboten ein pflanzliches Menu an, sie bauen mittlerweile vielerorts Kichererbsen und Lupinen an und sie sehen in der Hinwendung zur Pflanzenküche eine Chance statt einen Schaden.
Ohne Zwang, dafür mit viel Genuss und mit dem Wissen: Wandel wird nicht erreicht durch die zehn Prozent der Menschen, die ihr Verhalten zu 90 Prozent ändern, sondern durch die 90 Prozent, die ihr Verhalten zu zehn Prozent ändern.
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Zur Autorin: Meret Schneider (31) war bis vor Kurzem Mitglied des Schweizer Nationalrats (2019 bis 2023). Sie arbeitet als Projektleiterin beim Kampagnenforum. Weiter ist sie Vorstandsmitglied der Grünen Partei Uster ZH.