Schutz vor Übernahmen und Milliarden für EU-Tourismusunternehmen
Die EU-Kommission will der hart von der Corona-Krise getroffenen Tourismus- und Reisebranche zu Hilfe kommen.
Das Wichtigste in Kürze
- EU-Kommission will der Reisebranche in Corona-Krise beistehen.
«Dafür kämpfe ich, das steht ganz oben auf meiner Liste», sagte EU-Industriekommissar Thierry Breton am Dienstag im Verkehrsausschuss des Europaparlaments. Der Franzose will unter anderem Unternehmen vor Übernahmen aus dem Ausland schützen und kündige ein Gipfeltreffen für die Branche im Herbst an.
Die Tourismusindustrie müsse sich gegen «aggressive Investitionsstrategien nichteuropäischer Staaten» wappnen, warnte Breton. Denn diese könnten die aktuelle Krise «als Gelegenheit sehen, europäische Juwelen (der Branche) zu niedrigen Preisen zu kaufen». Die Kommission werde deshalb zusammen mit den Mitgliedstaaten «besonders aufmerksam» die Lage bei ausländischen Investitionen verfolgen.
Breton verwies darauf, dass die Branche «der am stärksten getroffene Sektor» in der Corona-Krise sei. «Wir schätzen die Einnahmeverluste auf europäischer Ebene auf 50 Prozent für Hotels und Restaurants, 70 Prozent für Reiseveranstalter und Reisebüros und 90 Prozent für Kreuzfahrt-und Fluggesellschaften.» Weltweit werde mit Einbussen zwischen 275 und 400 Milliarden Euro in der Tourismusbranche gerechnet.
«Der internationale Flugverkehr ist am Boden, viele Länder haben Einreisesperren und Ausgangssperren», unterstricht auch Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD). Er warnte die Verbraucher: «Eine normale Urlaubssaison mit vollen Strandbars und vollen Berghütten wird es diesen Sommer nicht geben können. Das wäre nicht zu verantworten.»
Allerdings ist der Tourismus laut Industriekommissar Breton einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Europa: Er stehe mit drei Millionen Unternehmen in der EU für elf Prozent der Wirtschaftsleistung und zwölf Prozent der Beschäftigten. Wegen «erheblicher geografischer Unterschiede» würden etwa Spanien, Griechenland, Italien, Frankreich noch deutlich härter getroffen. «Es gibt geografische Gebiete (...), die fast ausschliesslich vom Tourismus abhängen.»
Ebenfalls getroffen würden zudem vielfach kleine Familienbetriebe. Viele bereits verabschiedete EU-Hilfen zielten deshalb auf kleinere Unternehmen ab. Wichtig für die Gesamtbranche sei der nun diskutierte Wiederaufbaufonds, um die Branche schnell wieder aus der Krise zu holen. Breton ging davon aus, dass 20 bis 25 Prozent der Mittel aus dem künftigen Fonds die Tourismusbranche unterstützen müssten.
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen bei ihrem Video-Gipfel über einen Fahrplan beraten, um den Wiederaufbaufonds einzurichten. Das Volumen und die Finanzierung sind aber hoch umstritten. Im Gespräch ist ein Volumen von 500 Milliarden Euro bis 1,5 Billionen Euro.
Der Industriekommissar kündigte speziell für den Tourismussektor ein Gipfeltreffen im Herbst an. Ziel sei es, «gemeinsam über die Zukunft nachzudenken und einen Fahrplan für einen nachhaltigen, innovativen und widerstandsfähigen europäischen Tourismus aufzustellen». Einem Sprecher zufolge sollen dabei Vertreter der EU-Institutionen und nationaler, regionaler und lokaler Behörden mit Akteuren der Industrie zusammenkommen.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hält trotz allem Urlaubsreisen in diesem Sommer in den Mittelmeerraum für denkbar. Er glaube, dass es «eine Chance» auf Ferien am Mittelmeer einschliesslich Nordafrika gebe, sagte Müller den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er unterstrich die Bedeutung des Tourismus für die Stabilität von Ländern wie Tunesien, Marokko oder Ägypten.