Führen die Vegi-Burger Kunden in die Irre?
In der EU wehrt sich die Fleisch-Lobby gegen Namen wie «vegane Wurst». Sie wittern Konsumententäuschung. Die Debatte wird auch in der Schweiz geführt.
Das Wichtigste in Kürze
- In der EU sollen Bezeichnungen wie «vegane Wurst» zugelassen werden.
- Der Bund hat für die Schweiz im Sommer Richtlinien zu Namen von Vegi-Produkten aufgestellt
«Ceci n’est pas un steak» – das ist kein Steak. Mit dieser Kampagne machen europäische Tierzucht- und Fleischverarbeiter aktuell Stimmung gegen «irreführende» Namen von Fleischersatzprodukten.
Die Branche ärgern sich, weil die EU-Kommission Namen wie «vegane Burger» oder «vegane Würste» zulassen will. Mit der Duldung solcher Begriffe werde die Büchse der Pandora geöffnet, so der Vorwurf. Die Tierzucht- und Fleischverarbeiter befürchtet «langfristige Folgen für Konsumenten und Viehzüchter gleichermassen».
The debate on meat & dairy denominations for plant-based imitations is far more complex than it seems at first glance!#cecinestpasunsteak ❌campaign raises fundamental Qs⁉️about consumer information, cultural heritage & the power of modern marketing👇
— COPA-COGECA (@COPACOGECA) October 6, 2020
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Unbestritten ist es für die Branche schwierig, wenn weniger Fleisch und mehr Ersatzprodukte konsumiert werden. Doch laut Jean-Pierre Fleury, Vorsitzender des Dachverband der EU-Landwirte COPA-COGECA, gehörten auch Konsumenten zu den Verlierern: «Kunden werden absichtlich verwirrt, indem ihnen in der Werbung der Eindruck gemacht wird, dass die Substitution eines Produkts keine Auswirkung auf die Nährstoffaufnahme habe.»
Bund hat Richtlinien aufgestellt
Auch hierzulande sorgen Bezeichnungen von Fleischalternativen für heisse Köpfe. Argumentiert wird ähnlich wie in der EU. Ruedi Hadorn, Direktor des Schweizer Fleisch-Fachverbandes, forderte im Sommer: «Es braucht eine äusserst strikte Auslegung für die Bezeichnung von Fleischalternativen.»
Anders als in der EU ist man hierzulande bereits einen Schritt weiter. Kürzlich hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV ein Informationsschreiben zu Fleischalternativen publiziert.
Darin halten die Bundesbeamten fest, dass «Aufmachung, Kennzeichnung und Verpackung der Produkte und die Werbung der Produkte die Konsumenten nicht täuschen dürfen». Und: «Imitationsprodukte dürfen nur so gekennzeichnete und bewerben werden, dass es Konsumenten möglich ist, die tatsächliche Art des Lebensmittels zu erkennen.»
Der Bund nennt gleich mehrere Beispiele: Nicht erlaubt sind Sachbezeichnungen wie «vegetarische Cervelas» oder phonetisch ähnliche Begriffe wie «Vleischkäse». Grünes Licht gibt der Bund hingegen für allgemeine Begriffe wie «veganes Filet» oder «vegane Wurst».
Bauernverband bleibt cool
Die Schweiz lässt Bezeichnungen zu, welche in der EU noch bekämpft werden. Der Schweizer Bauernverband kann damit leben. Sprecherin Sandra Helfenstein sagt: «Wir erachten diese Vorgaben als ausreichend, damit bei den Konsumenten keine Verwirrung entsteht.» Bestrebungen wie in der EU gebe es nicht.
Allerdings dürfe auch hierzulande das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Denn nicht immer halten sich die Hersteller von Fleischersatzprodukten an die Vorgaben: Die kürzlich lancierte pflanzliche Fleischkäse-Alternative von Coop heisst «The Green Mountain Vleischkäse».
Ob die Bezeichnungen die Kunden in die Irre führen, ist umstritten. Konsumentenforum-Präsidentin Babette Sigg sagt: «Eine Täuschungsabsicht will ich niemandem unterstellen. Als verarbeitete Produkte liegen sie ja stets weit entfernt von der Fleischtheke.»
Unter dem Strich wünscht sich die Konsumentenschützerin mehr sprachliche Innovation, was die Namen der Fleischalternativen angeht. «Wir sähen es gerne, dass bei diesen Produkten nicht auf Bezeichnungen zurückgreifen würden, die sie ersetzen wollen.»
Ähnlich klingt es bei der Stiftung für Konsumentenschutz. «Es kann durchaus sein, dass einige Angaben zu wenig Klarheit schaffen und irreführend sein können», sagt Geschäftsleiterin Sara Stalder.
«Da die Produkte aber oftmals in speziellen Verkaufsabteilungen anzutreffen sind, ist die Verwechslungsgefahr kleiner, als wenn alle Protein-Lebensmittel im gleichen Kühlregal wären.» Reklamationen gäbe es entsprechend sehr wenig, so Stalder. «Die meisten davon stammen aus der Fleischbranche.»