Neuwagen in der Schweiz erneut mit höherem Verbrauch
Schon wieder verbrauchen Schweizer Neuwagen mehr als im Vorjahr. Die Importeure müssen darum tief in die Tasche greifen. Dem VCS geht das zu wenig weit.
Das Wichtigste in Kürze
- 2019 haben Schweizer Neuwagen im Schnitt pro Kilometer 138 Gramm CO2 in die Luft gepustet.
- Den Grenzwert von 130 Gramm wurde klar überschritten.
- Die Importeure zahlen deshalb Strafzahlungen über 78 Millionen Franken.
Das Ziel ist klar: Autofahren muss umweltfreundlicher werden. Die Branche baut darum haufenweise Modelle mit alternativen, sparsamen Antrieben. Doch was der Kunde kauft, steht auf einem anderen Blatt.
Heute publizierte Zahlen des Bundesamts für Energie zeigen: Auch 2019 ist der Verbrauch der Schweizer Neuwagen gestiegen.
Konkret lagen die CO2-Emissionen eines Neuwagens 2019 im Schnitt bei 138,1 Gramm pro Kilometer. Im Jahr zuvor lag der Wert bei 137,8 Gramm. 2017 waren es noch 134,1 Gramm.
Das vierte Jahr in Folge wurde der Zielwert von 130 Gramm CO2 pro Kilometer nicht erreicht. Die Importeure werden darum zu Kasse gebeten: Sie müssen 78 Millionen Franken Strafzahlungen leisten – so viel wie noch nie.
Mehr Allrad, weniger Diesel
Das Bundesamt sieht mehrere Gründe für die Zunahme der Emissionen. Einerseits kaufen Schweizer immer mehr Allradfahrzeuge. Die sind schwerer und verbrauchen dadurch mehr. Andererseits ist auch 2019 die Nachfrage nach verbrauchsärmeren Dieselautos gesunken.
Dazu kommt ein rechnerischer Faktor: Seit 2019 werden die Verbräuche nach dem realitätsnäheren WLTP-Verfahren ermittelt. Diese Angaben werden dann auf der alten NEFZ-Messwerte zurückgerechnet, da die heute gültigen CO2-Ziele mit dem alten System definiert wurden. Dies könnte ebenfalls zu den höheren CO2-Emissionen beigetragen haben, glauben die Bundesbeamten.
Dass der Ausstoss nicht noch stärker zugenommen hat, dürfte daran liegen, dass 2019 erneut mehr E-Autos verkauft wurden. Hier wird nämlich mit einem CO2-Wert von null gerechnet.
Umrechnung führt zu schlechteren Resultaten
«Bereits 2018 haben wir den Einfluss der WLTP-Umstellung gespürt», sagt Christoph Wolnik, Sprecher von Auto-Schweiz. Seiner Meinung nach dürfte primär die Umrechnung am schlechteren Resultat schuld sein. Er spricht von Abweichungen von bis zu sechs Prozent.
Dieser Effekt mache die Marktanteilgewinne der alternativen Antriebe mehr als wett, kommentiert Wolnik. Denn letztes Jahr verfügten 13,1 Prozent der Neuwagen über einen Hybrid-, Elektro-, Gas- oder Brennstoffzellenantrieb, 2018 erst 7,2 Prozent.
Dass die Strafzahlungen dieses Jahr so viel höher ausfallen als im Vorjahr, liegt gemäss Wolnik ebenfalls hauptsächlich an der Umstellung des Messverfahrens. Seine Schlussfolgerung: «Die Änderung des in Europa gültigen Prüfzyklus müssen die Schweizer Importeure also teuer bezahlen.»
Ganz anders beurteilt die Entwicklung der Verkehrs-Club der Schweiz. In einer Stellungnahme schreibt Geschäftsführer Anders Gautschi: «Obwohl der Zielwert von 130 g CO2/km klar verfehlt wurde, belaufen sich die Sanktionszahlungen auf gerade einmal 78 Millionen Franken.»
250 Franken Strafzahlung pro Auto
Der VCS rechnet, dass pro Neuwagen eine Strafzahlung von 250 Franken fällig wird. «Diese Sanktionen können bei einem Neuwagenpreis von durchschnittlich 43‘400 Franken unterhalb der Wahrnehmungsschwelle an die Autokäufer weitergegeben werden.»
Die Autobranche hat während des Lockdowns mehrmals gefordert, dass wegen der Krise dieses Jahr die Strafzahlungen ausgesetzt werden sollen. Auch SVP-Nationalrat Walter Wobmann fordert Gleiches in einer Motion, die er Mitte Juni eingereicht hat.
Der VCS hält davon nichts. Die Importeure würden wie alle anderen Unternehmen behandelt werden, eine Sonderbehandlung sei unnötig. «Ein Sanktionserlass wäre eine Kapitulation der Klimapolitik vor der Autolobby.»
Sowieso dürfte es dieses Jahr für die Importeure noch schwieriger sein, die CO2-Ziele zu erreichen. Seit Jahresbeginn gilt ein neuer Zielwert: 95 Gramm pro Kilometer.