Schweizer «ignorieren» EU-Deckelpflicht – und profitieren
In der EU ist seit diesem Sommer der fixierte PET-Deckel Pflicht. In der Schweiz verzichten viele Produzenten darauf – und ziehen bisher eine positive Bilanz.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit dem 3. Juli müssen PET-Flaschen in der EU einen fest angemachten Deckel haben.
- Die Regel gilt in der Schweiz nicht. Die Produzenten können beim alten Deckel bleiben.
- Das bringt Vorteile mit sich – sei es bei der Kundenzufriedenheit oder beim Recycling.
Der neue PET-Deckel in der EU ist ein prickelndes Thema. Nicht nur wegen des Mineralwassers, sondern auch, weil er für grosse Diskussionen sorgt.
Seit Juli muss der Deckel in der EU nämlich an der Flasche fixiert sein. Aus Umweltschutzüberlegungen mag das zumindest teilweise Sinn machen.
Dennoch ärgern sich viele Kunden darüber. Denn beim Trinken ab Flasche stösst der Deckel an die Nase – und nervt gewaltig.
In der Schweiz hat man immerhin oftmals die Wahl, denn hierzulande ist der fixe Deckel bisher nicht Pflicht.
Einige Produzenten halten deshalb am alten, abnehmbaren Deckel fest. Und das scheint gut anzukommen – mehrere Nau.ch-Leser loben die «rebellischen» Schweizer Hersteller dafür.
«Sehr viel positives Feedback»
Das merken auch die Hersteller. Nau.ch hat bei Ramseier, Rivella und bei der Mineralquelle Eptingen AG nachgefragt.
Die Ramseier Suisse AG bestätigt: «Von Konsumentinnen- und Konsumentenseite erhalten wir sehr viel positives Feedback zu der gefundenen Schweizer Lösung.»
Daher ist für das Unternehmen, das beispielsweise die Marke Sinalco vertreibt, klar: «Diese Feedbacks bestärken uns, am Entschluss der erprobten Schweizer Lösung festzuhalten.»
Der alte Deckel habe sich bewährt, gerade auch im Zusammenhang mit dem Recyclingsystem in der Schweiz.
Allerdings sei es nicht ganz einfach gewesen, diese Spezial-Lösung zu finden. Es habe unter anderem «intensive Abklärungen mit unseren Deckellieferanten» gebraucht.
Konsumenten mehrheitlich gegen fixierte Verschlüsse
Auch Rivella hat «ein paar positive Rückmeldungen» erhalten, bestätigt Sprecherin Monika Christener. Vor allem als Reaktion auf die Medienberichterstattung, wo die «Schweizer Lösung» bereits thematisiert wurde.
Weder aus Umweltsicht noch aus der Sicht der Konsumenten sei der Mehrwert des EU-Deckels gegeben, so Christener.
«Aktuell sprechen sich die Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz noch mehrheitlich gegen fixierte Verschlüsse aus.»
Lediglich für die Auslandsmärkte Frankreich und Luxemburg muss Rivella den EU-Deckel verwenden. In der Schweiz bleibt man beim alten System, den daraus entstehenden Mehraufwand nimmt man in Kauf.
Festhalten am alten Deckel ist kein Problem
Die Mineralquelle Eptingen AG bleibt ebenfalls beim abnehmbaren Deckel, wie Marketing-Chefin Damaris Buchenhorner erklärt.
Das Unternehmen vertreibt neben Eptinger auch die Marken Pepita und Cristallo. «Solange es hierzulande kein solches Gesetz gibt oder der Hersteller die Verschlüsse nicht mehr liefert, werden wir am Deckel festhalten.»
Ein Grund sei das Recyclingsystem in der Schweiz, so Buchenhorner. «Die PET-Flaschen müssen zusammengedrückt werden, das ist bei einem fixierten Deckel schwierig.»
Der alte Verschluss habe sich bewährt. Trotz neuer EU-Regel sei es für Eptinger – zumindest bisher – weiterhin problemlos möglich, beim alten Deckel zu bleiben.
Konkrete positive Kunden-Rückmeldungen zum Thema Deckel habe man zwar nicht erhalten. Das müsse aber nichts heissen, so Buchenhorner.
«Die Leute melden sich tendenziell eher, wenn sie negatives Feedback haben. Nicht, wenn sie zufrieden sind.»
Verband: Deckel landen selten in der Natur
Der Verband Schweizerischer Mineralquellen und Soft-Drink-Produzenten (SMS) äussert sich auf Anfrage ähnlich. Als Verbandsbüro erhalte man zwar selbst selten Kunden-Rückmeldungen, sagt Sprecher David Arnold.
Auch der SMS verweist aber auf das erfolgreiche PET-Recyclingsystem der Schweiz – Deckel würden selten in der Natur landen.
Ob sie die EU-Regel, die per 3. Juli 2024 in Kraft gesetzt wurde, umsetzen, entscheiden die Hersteller individuell, erklärt Arnold.
«Dabei kommen unter anderem wirtschaftliche Überlegungen zum Tragen. Massgebend ist, dass die Deckel den Vorschriften des Zielmarktes entsprechen.»