Viele träumen von einem eigenen Haus im Grünen. Doch im Kampf gegen Wohnraummangel könnten Wohnbaugenossenschaften ein Schlüssel sein. Ein Gastbeitrag.
Uolf Candrian
Uolf Candrian von der SP. - zVg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Uolf Candrian plädiert für mehr Wohnbaugenossenschaften in der Region Surselva.
  • So könnten Objekte vom Immobilienmarkt genommen werden, Spekulation würden verhindert.
  • Wohnbaugenossenschaften seien eine Massnahme, um dem Wohnraummangel entgegenzuwirken.

Martin Kreiliger, der die von der PS/SP Surselva organisierte Sentupada in Ilanz/Glion moderiert, bat seine beiden Gäste, mit dem Fazit des Abends zu beginnen. Das Fazit von Andri Bundi, Repräsentant der Cooperativa Encarden in Sagogn, fällt klar aus: «Macht es, das ist das, was wir machen können.» Richard Wolff, ehemaliger AL-Stadtrat aus Zürich, meint rückblickend: «Wir haben gemeinsam Kinder grossgezogen, das klingt vielleicht nach Idylle, aber wir hatten es wirklich gut – und finanziell ist die Genossenschaft eine gute Form.»

Mit Glück zum eigenen Grundstück

Aber beginnen wir von vorne. In der Surselva sind Wohnbaugenossenschaften noch nicht verbreitet. Am Anfang braucht es vor allem Glück. Denn für ein Projekt brauche man Land, ohne das gehe nichts, erklärt Wolff.

«Wir hatten die Gelegenheit, dieses Haus zu kaufen, eine solche Gelegenheit gab es nur einmal im Leben. Für mich kam diese Gelegenheit, als ich kein Eigenkapital hatte», führt Richard Wolff aus, wie er zu seiner ersten Wohngenossenschaft kam.

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In Ilanz/Glion fand eine Sentupada statt. - zVg

Dank der Form Genossenschaft und einem direkten Kontakt der WG zu den Erben durch einen Enkel, der in ihrer WG wohnte, war die Übernahme der Liegenschaft auch ohne Eigenkapital möglich. Jedoch mit einer grossen Hypothek, die damals nur eine Bank übernehmen wollte. Heute habe sich dies geändert und sie hätten bereits dreimal die Bank gewechselt. Das Haus in Zürich sei ein Renditeobjekt geworden.

Gründe für das Leuchtturm-Projekt in Sagogn

Eigentlich seien die Bedingungen im Alpenraum besser, hier kenne man bereits Genossenschaften, zum Beispiel die Alpgenossenschaften, wie Rita Schmid in der Diskussion anmerkt: «Früher habe man sich in Zeiten der Not zusammengetan.» Die Verknappung des Wohnraumes hat auch rund 30 Personen an diese Sentupada in Ilanz angelockt. Auch für die Familie Bundi ist jetzt die gute Gelegenheit, ihr Zuhause umzuwandeln, gekommen.

Die Motivation der Familie Bundi beruht auf einen spürbaren Idealismus, der noch manche wachrütteln dürfte. In vielen unserer Bündner Häuser leben heute oft nur wenige Menschen. Ein- oder Zweipersonenhaushalte in Häusern, in denen früher Familien mit bis zu zwölf Köpfen Obdach fanden.

Finden Sie, dass Wohnbaugenossenschaften dem Wohnraummangel entgegenwirken könnten?

Der Familie Bundi geht es darum, ihr Haus mit Leben zu füllen, statt das eigene Portemonnaie. So wollen sie ihrem Heimatort nachhaltig etwas zurückzugeben. Mit einem solchen Projekt ist das über mehrere Generationen möglich.

Ziel der Wohngenossenschaft ist es, das Objekt vom Immobilienmarkt zu nehmen, um so Spekulation zu verhindern. Wie damals, bei Richard Wolff in Zürich, Wipkingen.

Akute Situation und kommunale Lösungsansätze

Die ganze Problematik liege laut Richard Wolff darin, dass es möglich, ja sogar lukrativ sei, hohe Privatgewinne durch Mietpreise zu generieren. Weil jeder wohnen muss, sei jeder Mensch gezwungen, Miete zu zahlen. «Eigentlich sind wir zurück in einem modernen Feudalismus, nur statt Pächter sind wir heute Mieter», meint Richard Wolff.

Genossenschaften alleine lösen das Problem des Wohnraummangels nicht, aber es ist eine der möglichen Massnahmen. Wie kann diese Wohnform gelingen?

uolf candrian
In Ilanz/Glion fand eine Sentupada statt. - zVg

Auch beim Vorstand der Gemeinde Ilanz/Glion war das Interesse an der Sentupada gross. Betont wurde aber auch, dass es in der Gemeinde bereits Projekte gebe, bei denen Parzellen in Baurecht abgegeben worden seien, so beispielsweise an der Via Bual.

Zudem habe die Gemeinde mit der «Fueina da cultura» eine Kulturschmiede, um den Diskurs anzuregen, initiiert. Problematisch sei, dass viele junge Menschen immer noch vom Einfamilienhaus im Grünen träumen würden, ergänzte ein weiteres anwesendes Vorstandsmitglied.

Michal Hohl, die aktuell für den Gemeindevorstand von Ilanz/Glion als auch im Herbst für den Nationalrat kandidiert, fragte danach, welche konkreten Instrumente es für die Förderung von Genossenschaften auf kommunaler Ebene gebe. Richard Wolff meinte, das Wichtigste sei kaufen, kaufen, kaufen, besser gesagt zurückzukaufen.

Als konkrete Massnahme betonte er die Möglichkeit, ein Vorkaufsrecht durch die Gemeinde für Immobilien zu initiieren. Die Devise, dass die Gemeinden den Immobilienmarkt den Privaten überlassen sollten, scheint also gefallen.

Weitere Wohngenossenschaften in der Surselva?

Auch Alexander Messmer, der als Vertreter der Genossenschaft Pfruondhus im Publikum anwesend war, erläutert, dass ihr Projekt nur möglich sei, weil sich die Immobilie im Dorfkern bereits im Besitz der Gemeinde Tenna, heute Safiental, befinde.

Was Alexander Messmer ebenfalls betont hat, ist die Bedeutung einer Schule, eines Ladens, des Skilifts – ebenfalls genossenschaftlich organisiert – und des Hotels mit Beiz. Um die Abwanderung unserer Täler zu verhindern, ist neben bezahlbarem Wohnraum auch die soziale Infrastruktur essenziell.

Der Abend schloss mit einer in der Bar beim Cinema sil Plaz weitergeführten Diskussion über mögliche Ansätze und Schwierigkeiten in der Umsetzung, beispielsweise das kantonale Raumplanungsgesetz, welches leider aktuelle Projekte ausbremse.

Dennoch besteht Spielraum. Konkrete politische Massnahmen seien ebenso gefragt, wie engagierte Idealisten, die Projekte umsetzen wollen – und diese finden besonders in der aufstrebenden PS/SP Surselva zahlreich Gleichgesinnte.

Zum Autor: Uolf Candrian ist Co-Präsident der SP Surselva.

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