Roman von C. F. Ramuz über das Paradies, das langweilig wird
In «Dorf im Himmel» erzählt Charles Ferdinand Ramuz von einer Dorfgemeinschaft zwischen Utopie und Apokalypse. Mit der Arbeit an dem Roman hat der Lausanner Autor in den 1920er-Jahren begonnen.

C. F. Ramuz beginnt seinen Roman «Terre du Ciel», wie er im Original heisst, damit, dass «dreihundert von den Tausenden, die gewesen waren» aus ihren Gräbern steigen und scheinbar eine zweite Chance bekommen in einem paradiesischen Dorf. Hier gibt es nur schönes Wetter, keine Krankheit und keine Sorgen.
In Abgrenzung zu diesem Paradies erzählt Ramuz auch vom alten Leben seiner Figuren. Da ist etwa Adele, die an den historischen Fall der Kindsmörderin Frieda Keller erinnert («Friedas Fall» war gerade erst in den Kinos zu sehen). Oder Chermignon, der im Krieg ein Bein verlor. Und Phémie, die verarmte, weil sie für die Schulden ihres Sohnes aufkommen musste.
Die Langeweile des Glücks
Diese Gegenüberstellung von normalem Leben und Paradies wird zur Kritik, die auch rund 100 Jahre später ihre Aktualität nicht verloren hat: denn das alte Leben sei «feindselig und missgünstig» gewesen und «gegen die Natur»:
«Gegen die Pflanzen, die ihre eigenen Vorstellungen hatten. Gegen die Tiere, gegen die Menschen, alle einander feind, neidisch aufeinander und ständig im Krieg gegeneinander. (...) sodass man ständig reparieren musste, sich ständig verteidigen musste, und man war nur damit beschäftigt, nicht selbst zerstört zu werden.»
Doch die nun privilegierte Dorfgemeinschaft ist schnell gelangweilt vom eigenen Glück. Abgeschottet vom Rest der Welt, sehen die Menschen die eigenen Privilegien nicht mehr.
Aus heutiger Sicht erinnert die Situation sehr an die aktuelle Schweiz. Bei Ramuz bricht am Ende die Realität furios ein in die paradiesische Utopie. So lässt sich «Dorf im Himmel» auch als Buch der Stunde lesen – wie im Übrigen bereits «Sturz in die Sonne» (2023) als prophetische Vision der Klimakatastrophe.
Auch diesen Roman hat Ramuz vor rund hundert Jahren geschrieben.*
*Dieser Text von Philine Erni wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.