Kino

Die bewegende Kino-Doku «Der Schneeleopard»

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Frankreich,

Rund 90 Minuten kann man jetzt an der geduldigen Suche nach einer seltenen Raubkatze in Tibet teilnehmen. Langweilig? Überhaupt nicht. Die preisgekrönte Doku «Der Schneeleopard» wirkt in Krisenzeiten zudem sehr beruhigend.

Eine Szene aus dem Film «Der Schneeleopard». Foto: Vincent Munier/MFA/dpa
Eine Szene aus dem Film «Der Schneeleopard». Foto: Vincent Munier/MFA/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Selten lässt sich ein Hauptdarsteller so viel Zeit für seinen ersten Auftritt wie in diesem Film.

Bis zur Minute 65 dauert es, ehe der französische Naturfotograf Vincent Munier und sein Begleiter, der Schriftsteller Sylvain Tesson, den Schneeleoparden endlich zu sehen bekommen - und auch da nur auf den eher zufälligen Bildern einer «Kamerafalle». Beinahe endet die epische Reise zu der extrem seltenen Raubkatze ins tibetische Hochland ohne direkte Begegnung - dann zeigt sich das Tier doch noch in all seiner Pracht.

«Der Schneeleopard», ein mit Vorschusslorbeeren überhäufter Dokumentarfilm unter der Regie von Munier und Marie Amiguet, ist ein Kino-Ereignis der besonderen Art. Wegen der Bilder menschenleerer Steppen- und Berglandschaften, die trotz ihrer Kargheit ungeheuer faszinieren. Wegen der weitgehend instrumentalen Musik der Indierock-Ikonen Warren Ellis und Nick Cave, in deren majestätischem Abschlusssong «We Are Not Alone» das Zusammentreffen der Menschen und des gefleckten Einzelgängers kulminiert. Und wegen seiner Story: «Der Schneeleopard» hat viel mehr zu erzählen als nur von der wochenlangen Suche zweier leidensfähiger Männer in der Eiseskälte Tibets.

Der eineinhalbstündige Film passt im übrigen mit der stoischen Ruhe und der hemmungslos ausgebreiteten Schönheit seiner Bilder perfekt in eine Zeit, die mit Klimawandel, Corona-Pandemie und Krieg die existenziellen Krisen nur so aneinanderreiht. «Eine Art Flucht» stecke hinter dem Projekt, heisst es im Kommentar. Ein bisschen Weltflucht ermöglicht «Der Schneeleopard» auch dem Zuschauer.

Vor dem bewegenden Finale mit dem Schneeleoparden (Tesson: «Ein unverhofftes Geschenk») sehen, beobachten, filmen und fotografieren die beiden Franzosen zahlreiche andere Bergtiere: Tibetfüchse, Antilopen, Yaks, eine Pallaskatze, Geier, Bären. Fast philosophisch verlaufen dabei die stets vorsichtig geflüsterten Unterhaltungen der beiden Suchenden in einer rauen Umgebung, die ihnen keinerlei Versprechungen für rasche Erfolge macht.

Besonders Tesson muss erkennen, dass «das ganze Puppentheater, das die Menschen veranstalten», ihre Ungeduld und Rücksichtslosigkeit auf 5000 Metern Höhe völlig fehl am Platze sind. «Die Lauer war eine Reise», eine meditative Reise auch zu sich selbst, sagt der renommierte Reisebuchautor. Munier ergänzt: «Wir haben unsere Sinne verloren» - und meint damit die moderne Welt in ihrem Verhältnis zu Natur und Tierwelt. Dass die Botschaft hinter der geduldigen Suche bis zur triumphalen Sichtung des scheuen Raubtiers eine radikal-ökologische ist, versteht sich von selbst.

Seine Weltpremiere feierte «Der Schneeleopard» dieses Jahr während der Filmfestspiele in Cannes. Bei den Césars, also den französischen Oscars, erhielt das Werk Auszeichnungen als bester Dokumentarfilm und bestes Erstlingswerk. «Eine Abenteuergeschichte und eine spirituelle Suche, ein Lob der Geduld, der Wildnis und der Schönheit», lobte der Kritiker François Busnel von der TV-Sendung «La Grande Librairie».

Tesson hat seine Erfahrungen im Bestseller «Der Schneeleopard» (Rowohlt Verlag) verarbeitet, der dreimalige «BBC Wildlife Photographer of the Year» Munier präsentierte seine atemberaubenden Bilder im Band «Zwischen Fels und Eis» (Knesebeck Verlag). Die Schneeleoparden-Saga ist in jeder Form ein Fest für die Augen, das Herz und das Gehirn.

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