Indische Prunkhochzeit als Bollywood-Kirmes
Eine sündhaft teure Hochzeit mit Star-Gästen jagt die nächste: Nur Monate nach seiner Schwester kommt auch der ältere Sohn des reichsten Mannes Indiens unter die Haube. Statt Beyoncé singt der Frontmann von Coldplay.
Das Wichtigste in Kürze
- Alles ist festlich mit Blumengirlanden geschmückt am Messegelände Jio World Centre in Mumbai - sogar die Metalldetektoren am Eingang.
Durch diese geht nach und nach das Who's Who von Bollywood und Indiens Geschäftswelt, gekleidet in farbenfrohe Saris und Sherwanis aus dem feinsten Stoff. Sie kommen, um die Hochzeit eines Kindes des reichsten Inders, Mukesh Ambani, zu feiern. Mal wieder.
Erst im Dezember hatte dessen Tochter Isha in Antilia, dem Privathochhaus der Familie in Mumbai, den Sohn eines anderen Milliardärs geheiratet. Über Ausgaben von bis zu 100 Millionen US-Dollar (etwa 88 Millionen Euro) wurde damals spekuliert. Bei einer Vorhochzeitsparty in einem indischen Palast trat US-Sängerin Beyoncé auf. Zwei Ex-Aussenminister der USA, Hillary Clinton und John Kerry, tanzten mit Bollywood-Superstar Shah Rukh Khan zu indischen Film-Hits, wie auf einem Video in sozialen Netzwerken zu sehen ist.
Nun ist Ambanis älterer Sohn Akash an der Reihe. Der 27-Jährige heiratete seine ehemalige Mitschülerin Shloka Mehta, Tochter des Diamantenhändlers Russell Mehta. Die Feierlichkeiten gingen auch diesmal schon Wochen vorher los - im schweizerischen St. Moritz. Unter der Kennung #winterwonderland kursieren in sozialen Medien Fotos der Ambanis und ihrer rund 300 Gäste auf einem privaten Kirmesgelände, mit Riesenrad. Akash hat offenbar einen anderen Musikgeschmack als seine Schwester, denn für seine Feier wird Chris Martin, Frontmann der Band Coldplay, engagiert.
Mukesh Ambani, der stolze Vater, ist Chef und Hauptanteilseigner des Energie-, Textilien- und Mobilfunk-Konglomerats Reliance Industries. In der jüngsten Liste der reichsten Menschen der Welt des Magazins «Forbes» landete er auf Platz 19. Sein Vermögen wird auf deutlich mehr als 40 Milliarden Dollar geschätzt. Inzwischen gibt es mehr als 100 Milliardäre in Indien. Nach Angaben der Organisation Oxfam besitzt das reichste Prozent der Bevölkerung mehr als die Hälfte des Vermögens.
Allein Antilia, das 27-stöckige Haus der Familie Ambani im Süden der früher Bombay genannten Film- und Finanzmetropole, soll eine Milliarde Dollar wert sein. Berichten zufolge gibt es dort mehrere Hubschrauberlandeplätze, eine fünfstöckige Garage und einen Raum, in dem man es schneien lassen kann. Von ihrem Luxusturm aus haben die fünf Bewohner nicht nur einen Ausblick auf das Arabische Meer, sondern auch auf die grösste Elendssiedlung des Landes: Dharavi, bekannt aus dem Film «Slumdog Millionaire».
Dharavi ist einer der am dichtesten besiedelten Orte der Welt. Die unzähligen wackligen Häuser stehen so nah beieinander, dass ihre Wellblechdächer sich fast über den engen Gassen berühren. Hier leben rund eine Million Menschen. Einer von ihnen ist Mayur Parmar. Der 24-Jährige stammt aus Dharavi und arbeitet für die Firma Reality Tours and Travel, die geführte Rundgänge durch das Viertel anbietet und von den Einnahmen die Lokalbevölkerung unterstützt.
«Wenn sie all das Geld in Leute investieren würden, die es wirklich gebrauchen können, würde das echt viel ausmachen im Leben der Menschen», sagt Parmar zu den Prunkhochzeiten der Ambanis. Andererseits, meint er, sei es ihr wohlverdientes Geld und ihre Sache, was sie damit täten.
«Alle Inder, ob reich oder arm, wollen ihre Hochzeiten eine Stufe ausgiebiger feiern, als sie es sich eigentlich leisten können. Das ist eine kulturelle Sache», erklärt Parmars Chef Asim Shaikh, der ebenfalls aus der Gegend stammt und hier lebt. Es gehe darum, die Familie gut darzustellen. Für die Hochzeit seines Bruders vor drei Monaten habe sein Vater sich verschuldet, erzählt Shaikh. «Ich habe ihm gesagt, wir hätten das Geld für andere Dinge gebrauchen können. Aber er meinte: Was würden dann die Leute denken.»
Die Bewohner von Dharavi hätten Videos der vorherigen Ambani-Hochzeit auf YouTube, Facebook oder WhatsApp gesehen, sagt Shaikh. Manche hätten über den zur Schau gestellten Reichtum getratscht. Für die meisten gelte aber: «Sie waren weder glücklich noch traurig darüber. Es war einfach nur Unterhaltung.»
Zum Beginn der tagelangen Feierlichkeiten am Freitagabend entstehen auch wieder Videos, die sich schnell verbreiten. Davon, wie die grössten indischen Filmstars zum Rhythmus von Trommeln mit steinreichen Geschäftsleuten tanzten. Oder davon, wie Braut und Bräutigam jeweils die grosse, nagelneue Messehalle betraten - vor den Augen von Gästen wie Google-Chef Sundar Pichai, Ex-UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und dem früheren britischen Premierminister Tony Blair. Die Chefs von Coca-Cola und Netflix sind Berichten zufolge auch dabei.
Die Braut trägt, der hinduistischen Tradition entsprechend, einen Nasenring mit Kette und schreitet unter einem Traghimmel in den Saal, wie auf einem Video zu sehen ist. Der Bräutigam und seine Familie werden von Männern in weissen Anzügen gesäumt, die jeweils eine kleine Palme in der Hand halten. Aus einem musikalischen Brunnen ertönt volkstümliche Musik mit Bollywood-Einschlag. Alles ist voller Blumen und glänzender Lichter. Wieder einmal eine ganz besonders prunkvolle Unterhaltung - wohl auch für die Bewohner des Elendsviertels Dharavi.