Wim Wenders

Mit dem Leben spielen: Regisseur Wim Wenders wird 75

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Bolivien,

Seine Filme gehören zum Kanon des Kinos: Mit Werken wie «Der amerikanische Freund», «Paris, Texas» oder «Der Himmel über Berlin» gehört Wim Wenders zu den grossen Filmregisseuren. Jetzt wird er 75.

Wim Wenders will seinen 75. Geburtstag nicht gross feiern. Foto: Markus Scholz/dpa
Wim Wenders will seinen 75. Geburtstag nicht gross feiern. Foto: Markus Scholz/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Anfangsszene von «The Million Dollar Hotel» lässt Wim Wenders den jungen Tom Tom von einem Hochhausdach über Los Angeles in die Tiefe springen.

Während er fällt, blickt Tom Tom in all die Wohnungen und stellt überrascht fest: Hinter den Fenstern gibt es tatsächlich wahres Leben, Menschen lieben, streiten, sprechen miteinander. Für eine Umkehr in die Welt, die er gerade verlässt, ist es für Tom Tom (Jeremy Davies) allerdings zu spät.

Könnte diese Szene aus dem Jahr 2000 für das Gesamtwerk des Regisseurs stehen? Wim Wenders, der an diesem Freitag (14. August) 75 Jahre alt wird, fängt das Leben ein, so wie es oft spielt - im freien Fall oder als lange Reise.

Als Jugendlicher hatte Wenders seine Liebe zum Film entdeckt, filmte mit einer Super-8-Kamera aus dem Elternhaus im Ruhrgebiet rauchende Schornsteine und drehte Kurzfilme. «Ich hatte viele Träume», sagt er in der Dokumentation «Wim Wenders - Desperado», die zurzeit in den Kinos läuft und an diesem Freitag (23.50 Uhr) im Ersten ausgestrahlt wird. Architekt, Arzt, Philosoph, Priester, Maler - das Kino sei das einzige Metier, das mit all dem zu tun habe.

Zu Beginn seiner Karriere wurde das Roadmovie Wenders' Lieblingsgenre. Ob im frühen Schwarz-Weiss-Meisterwerk «Im Lauf der Zeit» (1976), beim Trip entlang der innerdeutschen Grenze in «Der Stand der Dinge» (1982), in der Wüste von «Paris, Texas» (1984) und selbst im «Himmel über Berlin» (1987) mit den zugeflogenen Engeln Damiel (Bruno Ganz) und Cassiel (Otto Sander) - im Reisen, im Flüchtigen kommen die Menschen zu sich.

So ist Wilhelm Ernst Wenders, so sein bürgerlicher Name, stets auf Fahrt. Was auch seine Schattenseiten haben kann: In «Der amerikanische Freund» (1977) nach einem Roman von Patricia Highsmith soll ein Auftragsmord in einem rollenden Trans-Europ-Express ausgeführt werden.

Wenders, der mit seinen Filmen viel Ruhm erntete und mit seinen Bildern voller Melancholie und Sehnsucht das neue deutsche Kino weltweit bekannt machte, will anders als vor fünf Jahren zum Siebzigsten diesmal nicht gross feiern. Er hält sich in Frankreich für ein Filmprojekt auf, wie seine PR-Firma mitteilt.

Ausserdem arbeite er an einem Dokumentarfilm über den Schweizer Architekten Peter Zumthor. Bereits im Sommer 2012 hatten Wenders und Zumthor auf Einladung des damaligen Kurators David Chipperfield für die Architektur-Biennale von Venedig einen gemeinsamen Kurzfilm geschaffen. «Notes from a Day in the Life of an Architect» war eine Art Fingerübung für den jetzigen Film, der in 3D gedreht werden soll.

Dokumentarfilme sind für Wenders mit der Zeit immer wichtiger geworden. In der Dokumentation bekommt Wenders wohl jene Freiheit, die ihm das von stringenten Drehbüchern und Sequel-Zwang dominierte Blockbuster-Kino heute nicht mehr gewährt. So entstanden preisgekrönte Streifen über die kubanische Band Buena Vista Social Club, den Fotografen Sebastião Salgado, die Tanzregisseurin Pina Bausch oder Papst Franziskus.

Das war schon mal anders. Wenders ging in den 70er Jahren in die USA auf der Suche nach dem Mythos des amerikanischen Kinos. In Deutschland hatte er mit Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog und Volker Schlöndorff den Neuen Deutschen Film begründet. In Amerika wollte er mit Francis Ford Coppola, der gerade «Apocalypse Now» beendet hatte, einen Film über den Krimi-Autor Dashiell Hammett drehen.

Doch beide Meister trennten Welten. Produzent Coppola drängte auf einen Plan, Wenders hing an einer offenen Arbeitsweise und der Improvisation. Ihre Wege gingen auseinander. Wenders machte «Hammett» alleine. Nach «Paris, Texas» mit Nastassja Kinski, für den er die Goldene Palme von Venedig bekam, kehrte er nach Europa zurück. Den Mythos Amerika liess er hinter sich.

Dann kam einer seiner grössten Erfolge, «Der Himmel über Berlin». Wenders knüpft dabei auch an die Rolle der Stadt für den Film an, engagiert Henri Alekan, der in den 20er Jahren bei «Menschen am Sonntag» in Berlin Kameraassistent war. Und mit Curt Bois, der 1933 aus Berlin floh und in Hollywood in «Casablanca» mitspielte, erinnert er auch an die von den Nazis zerstörte deutschen Filmtradition.

«Ich habe mit Schauspielern gearbeitet, die noch mit Fritz Lang gearbeitet haben. So habe ich noch einen Zipfel der Anfangszeit des Kinos mitgekriegt und einen Blick auf die Zukunft bekommen. Lang hätte 'Metropolis' sicher gerne in 3D gemacht», sagte der Regisseur 2017 in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Wenders widmete sich verstärkt auch der Fotografie und entdeckte die 3D-Technik. In «Every Thing Will Be Fine» (2015) setzte er die Technik für einen Spielfilm ein. Trotz hochkarätiger Besetzung mit James Franco und Charlotte Gainsbourg bekam der Beziehungsfilm ein eher verhaltenes Echo.

Auch die Musik hat Wenders nicht losgelassen. Vor ein paar Jahren debütierte er in Berlin mit George Bizets «Die Perlenfischer» als Opernregisseur. Ursprünglich wollte er professionell Saxofon spielen. Dann kam das Kino, aber Musik wurde zur wichtigen Ressource für seine Filme. In «Paris, Texas» klingt die Steel-Gitarre von Ray Cooder, im «Himmel über Berlin» treten Nick Cave and the Bad Seeds auf.

Das Standbein in der Tradition, das Spielbein im Experiment - Werner Herzog («Fitzcarraldo») hat einen guten Rat parat. «Einem 18-jährigen Filmstudenten», sagt der Regisseur im Wenders-Filmporträt «Desperado» von Eric Friedler und Andreas Frege, «würde ich heute sagen: Wenn Du Filme machen willst, schau dir Wims Filme an, Du Depp!».

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