Von Conchita zu Wurst: Aufbruch in die Elektro-Szene

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Österreich,

Elektro statt Diven-Pop, Hoodie statt Glitzerkleid: Bei Tom Neuwirth alias Conchita alias Wurst ist seit März vieles anders. Sein neues Album ist ein ambitionierter Versuch, sich neu zu erfinden.

Tom Neuwirth brauchte ein bisschen Abstand von Conchita. Foto: Britta Pedersen/zb/dpa
Tom Neuwirth brauchte ein bisschen Abstand von Conchita. Foto: Britta Pedersen/zb/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Conchitas hautenges Kleid vom ESC-Sieg 2014 hängt inzwischen in einem Wiener Museum.

Die Drag Queen ist verschwunden, zumindest vorerst - weil der österreichische Pop-Künstler Tom Neuwirth von der Kunstfigur genervt war. «Ich hab' ein bisschen Abstand von Conchita gebraucht. Das war wie eine Beziehung, die wir geführt haben.»

Neuwirth fühlte sich eingeengt, auf nur einen bestimmten Teil seines Charakters reduziert, so erklärt er es im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die Folge: Eine 180-Grand-Wende hin zu einer neuen Kunstfigur - und ein neuer Sound.

Im März machte Neuwirth als weitaus maskulinere Figur Wurst einen ersten Aufschlag, es folgten fünf weitere Singles. Mit dem Album «Truth Over Magnitude» wird der Österreicher noch einmal zu einer Art Newcomer.

Denn das aktuelle Album ist meilenweit entfernt von den Balladen und Diven-Auftritten der Conchita, die beim European Song Contest (ESC) 2014 mit «Rise Like A Phoenix» ganz Europa verzaubert und ein deutliches Zeichen für mehr Toleranz gesetzt hatte. «Ich wollte zu Beginn meiner Karriere immer Céline Dion sein. Das hab' ich irgendwie geschafft, für mich - abgehakt. Und dann hab' ich mich gefragt: Wieso mach' ich eigentlich nicht die Musik, die ich auch privat gerne höre?», sagt Neuwirth im dpa-Interview.

Conchita sei mit der Zeit so etwas wie eine Präsidentengattin geworden, deren Bewegungsspielraum ihm zu begrenzt war. «Ich kann sehr frisiert sein und sehr aufgeräumt und sehr höflich. Aber ich kann dann eben auch irrational sein, von meinem Ego zerfressen - und ein bisschen zu viel feiern.» Also präsentierte Neuwirth seiner Plattenfirma ein komplett neues Konzept: Wurst trägt meist Hoodie statt Glitzerkleid, das Haar kurz, ist offensichtlich bestens trainiert - und will mit Elektro-Sounds die Clubs erobern.

Als erstes veröffentlichte Neuwirth, der sich selbst als ignorant und egozentrisch beschreibt, im März mit seinem neuen Alter Ego den Song «Trash All The Glam» - und damit so etwas wie die vertonte Transformation von der einen zur anderen Kunstfigur. Im dazugehörigen Musikvideo räkelt sich Wurst im schwarzen Latexanzug über Treppen und in transparentem Schleim. «Ich habe den Song bewusst so positioniert, weil ich denke, das ist der schwierigste Song auf dem Album», sagt Neuwirth. Damit bringt er es auf den Punkt.

Die Höhepunkte markieren andere der insgesamt zwölf Tracks. Etwa das sehr tanzbare «To The Beat», das mit seinem eingängigen Sound zum Mitwippen einlädt und als Remix auch gut in einem Club laufen könnte. Besonders überzeugend wirkt der Titel «Can't Come Back», während «Hit Me» durchaus Ohrwurmqualität besitzt. Auffällig ist jedenfalls, dass sich Wurst facettenreich zu geben versucht innerhalb des neuen Elektro-Rahmens. Manche Passagen wirken daher verwirrend, Neuwirth hat im neuen Genre offensichtlich auch etwas experimentiert.

Erst beim vorletzten Song auf dem Album zeigt Wurst dann nochmal, dass eben doch auch etwas Conchita in ihm steckt. Näher als in der Elektro-Ballade «SIX» sind sich die beiden Charaktere nie, hier treffen die albumprägenden Beats auf die von Conchita wohlbekannten hohen und langgezogenen Töne. Die Conchita-Fans werden es sicher als gutes Zeichen interpretieren, dass die Drag Queen in Neuwirth noch nicht tot ist. «Sie hat eine Pause gemacht. Aber sie kommt wieder.»

Davon überzeugen können sich die Fans künftig in der neuen Pro-Sieben-Show «Queen of Drags», in der Conchita Wurst an der Seite von Heidi Klum und Bill Kaulitz zu sehen sein wird. «Wir alle sind von Menschen angezogen, die selbstbewusst sind und keine Scheu davor haben, ihre Emotionen zu zeigen. Die sich auch Fehler eingestehen, irrational sind und zugleich in einem Team funktionieren können», sagt Neuwirth. Genau das präsentiere die Show. «Ich glaube nicht, dass man sich diesem Zauber entziehen kann.»

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