Alt-FDP-Politiker will mit Verein Israel-Gegner bespitzeln
Die Gesellschaft Schweiz-Israel will Palästina-Freunde in der Schweiz systematisch beobachten: Die Solidarität habe zu oft einen «antisemitischen Einschlag».
Das Wichtigste in Kürze
- Die «Gesellschaft Schweiz-Israel» (GSI) will Israel-Gegner in der Schweiz beobachten.
- Oftmals habe die «sogenannte Solidarität» nämlich einen «antisemitischen Einschlag».
- Auf der angehängten Liste stehen Medienhäuser, Hochschulen und zahlreiche Hilfswerke.
- SP-Nationalrat und Palästina-Freund Carlo Sommaruga spricht von «autoritären Methoden».
Gemäss ihrem Leitbild ist die «Gesellschaft Schweiz-Israel» (GSI) «politisch und religiös unabhängig»: Die Organisation kämpfe für freundschaftliche Beziehungen zu Israel und wolle Verständnis für dessen Kultur, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft befördern.
Wie der «Tages-Anzeiger» heute berichtet, ist die Organisation aber scheinbar längst nicht so unabhängig, wie das Leitbild vermuten lässt. Zentralsekretär Walter L. Blum hat demnach eine E-Mail an die rund 2000 Mitglieder verschickt: Er sucht Personen, die bereit sind, «gegnerische Akteure» systematisch zu überwachen.
Solidarität mit Palästina habe oft einen «antisemitischen Einschlag»
Der ehemalige Zürcher FDP-Präsident bezieht sich auf den palästinensischen Überfall auf Israel am 7. Oktober und zeigt sich besorgt: «Es gibt in der Schweiz mehr Institutionen, als uns bisher bekannt waren, die sich mit ‹Palästina› solidarisch erklären.» Dies geschehe vermehrt, obwohl der Nahostkonflikt in vielen Fällen nichts mit den Aufgaben der Organisationen am Hut habe.
Oft habe diese «sogenannte Solidarität» einen «antisemitischen Einschlag», schreibt Blum weiter. Entsprechend müsse der Verein dieser veränderten Ausgangslage Rechnung tragen: «Die GSI will das gegnerische Lager systematisch beobachten.» Zu diesem Zweck suche die Organisation derzeit Aktivisten und Aktivistinnen, die bereit wären, diese systematische Überwachung umzusetzen.
Der «Tages-Anzeiger» berichtet weiter: Der Alt-FDP-Politiker suche Personen mit Kenntnissen in Social Media und Vertrautheit mit entsprechenden Accounts auf Tiktok und Telegram. Als Belohnung winke eine «pauschale, noch zu bestimmende Entschädigung», so das Schreiben.
Liste mit zu beobachtenden Organisationen
Brisant ist, dass das Schreiben auch gleich eine Liste mit den zu beobachtenden Organisationen enthalte: An erster Stelle stehen grosse Schweizer Medienhäuser wie «SRG», «Tamedia» und «CH Media». Danach folgen sämtliche Schweizer Hochschulen, ein gutes Dutzend Hilfswerke und Menschenrechtsorganisationen, wie beispielsweise das IKRK oder die Denkfabrik «Foraus».
Doch damit nicht genug: Auf der illustren GSI-Liste steht auch die Bundesverwaltung – «insbesondere Teile des EDA und EDI» – und der Nationalfonds. Gleiches gilt für die Vereinten Nationen, die «Gesellschaft Schweiz-Palästina» und die «parlamentarische Freundschaftsgruppe Schweiz-Palästina».
Wie Blum gegenüber dem «Tages-Anzeiger» betont, könnte die Liste sogar noch verlängert werden. Die GSI sei demnach überrascht, dass hierzulande eine derartige «Welle der Sympathie für die palästinensische Sache» zu beobachten sei.
Palästina-Freund Carlo Sommaruga kritisiert Vorgehen
Dass sich die parlamentarische Gruppe Schweiz-Palästina auf der Liste befindet, überrascht SP-Nationalrat Carlo Sommaruga: Die Methoden Blums erinnerten an diejenigen von Ernst Cincera in den 1970er-Jahren, erklärt er gegenüber dem «Tages-Anzeiger».
Cincera – Spitzname «Cäsar» – leitete inmitten des Kalten Krieges eine private Informationsgruppe. Ziel war es, zu verhindern, dass politisch linksgerichtete Bewerber in Bundesverwaltung, Politik und Privatwirtschaft eingestellt wurden. Sommaruga ist überzeugt: Das seien Methoden autoritärer Staaten, zu denen Israel heute gehöre, so der Sozialdemokrat.
Blum weist diesen Vergleich zurück: Er betont, dass er nur öffentlich zugängliche Informationen nutze und versuche, diffamierende Informationen über Israel nachzuvollziehen.
Wie viele Aktivisten und Aktivistinnen derzeit für Blum Informationen sammeln, bleibt indes unklar. Gleiches gilt für die Weiterverwendung der gesammelten Daten. Blum hält sich bedeckt: Er habe seine Nachricht an rund 2000 Mitglieder verschickt und zahlreiche positive Rückmeldungen erhalten.