«Arena»: BAG-Direktorin Anne Lévy verteidigt Strategie des Bundes
Das Wichtigste in Kürze
- In der «Arena» vom Freitagabend wurden die neuen Corona-Massnahmen des Bundes diskutiert.
- Zum ersten Mal war die neue BAG-Direktorin Anne Lévy im SRF-Studio zu Gast.
- Für einen emotionalen Auftritt sorgte zudem ein Schweizer «Härtefall».
Das Coronavirus ist in der SRF-Sendung «Arena» verständlicherweise längst zum Dauerbrenner geworden. So wurde natürlich auch gestern Abend – hinsichtlich des zweiten Lockdowns – einmal mehr über Sinn- und Unsinn der neuen Massnahmen diskutiert.
Von den geladenen Nationalrätinnen, Diana Gutjahr (SVP), Regina Sauter (FDP), Céline Widmer (SP) sowie Nationalrat Martin Bäumle (GLP), war in diesem Zusammenhang aber nicht viel Neues zu vernehmen.
SVP-Gutjahr polterte, dass am 13. Januar ein Fehler gemacht worden sei und kritisierte ganz nach Parteilinie den SP-Gesundheitsminister Alain Berset. Ihrer Meinung nach, hätte ein SVP-Gesundheitsminister natürlich einen viel besseren Job gemacht und sich auf die nötigen Schutzkonzepte für die Alten- und Pflegeheime konzentriert, statt ständig Massnahmen verordnet.
FDP-Sauter lobte den bisherigen «Schweizer Weg», zeigte sich «sehr erstaunt über die neuen Massnahmen» und bemängelte ein «fehlendes Gesamtkonzept». «Es wäre doch wichtig, dass die Menschen diese Verschärfungen nachvollziehen kann, schliesslich müssen sie sie ja mittragen.»
SP-Widmer meinte in der «Arena», sie sei «sehr erleichtert über die Massnahmen». Man dürfe nicht riskieren, dass das Gesundheitssystem an den Anschlag gerate, so die Nationalrätin, die zwar zum ersten Mal in der «Arena» zu Gast war, aber die üblichen Vertreter ihrer Partei mit dieser Aussage bestens vertritt.
GLP-Bäumle nannte den Lockdown den «richtigen Weg» und fasste zusammen, was die Covid Taskforce uns schon seit einiger Zeit versucht einzutrichtern: «Wir müssen so rasch wie möglich auf tiefe Fallzahlen kommen, damit das Contact Tracing wieder greifen kann. Wenn die Pandemie unter Kontrolle ist, dann können wir über Lockerungen reden.»
BAG-Direktorin in «Arena»: «Brauchen etwas Verständnis»
Mit dieser Aussage holte sich Bäumle einige Sympathiepunkte beim zweiten Premieren-Gast der «Arena»: Der neuen Direktorin des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) Anne Lévy.
Lévy, die seit dem 1. Oktober 2020 als BAG-Chefin wirkt, stellte klar, dass sie nicht wisse, ob mit dem Lockdown «alles gut kommen» werde. «Das werden wir erst in den nächsten Wochen sehen. Es gibt immer wieder neue Überraschungen, negative, als auch positive, die diese Pandemie mit sich bringt.»
Als positive Überraschung bezeichnete Lévy die Corona-Impfung, als negative Überraschung natürlich die Mutationen. Die BAG-Chefin stellte klar, dass die Zahlen in der Schweiz noch immer sehr hoch seien und sich mit der Mutation in wenigen Wochen verdoppeln könnten.
«Uns muss es deshalb gelingen diese Zahlen runter zu bringen. So können wir die Situation ein wenig aushalten, wenn sich das Virus weiterverbreitet.» Im Gegensatz zu Irland und Grossbritannien sei man dem Geschehen etwas voraus, so Lévy, deshalb habe man frühzeitig reagieren wollen.
Die Spezialistin im Bereich Public Health zeigte auch Verständnis für den Frust einiger Schweizerinnen und Schweizer über die ständige Ungewissheit. «Es wäre auch unser Wunsch zu wissen, wie es weitergeht, aber wir wissen nicht, was noch alles auf uns zukommt», sagte die BAG-Chefin in der «Arena» und hielt fest, dass man vor einem Monat zum Beispiel noch nicht einmal über die Mutationen Bescheid gewusst habe. «Wir brauchen auch etwas Verständnis.»
Unternehmer: «Ich bin ein Härtefall - ich brauche Hilfe»
Den Sendungsmachern war es am Freitagabend auch wichtig, über die Corona-Hilfen zu sprechen. Auch wenn der Bundesrat das Härtefallprogramm ausbaut ist nämlich klar: Von der Pandemie betroffenen Unternehmen geht langsam das Geld aus.
Einer der hart von der Krise getroffen wird ist Peter Hug, Inhaber einer mobilen Gelateria. Hug war schon zu Beginn der Pandemie einmal in der «Arena» zu Besuch und sagte damals: «Schauen wir mal!»
Gestern Abend tönte es etwas anders. Mit verschränkten Armen sass der Basler auf der leeren Zuschauertribüne im SRF-Studio und sagte mit enttäuschter Stimme: «Es ist in den letzten zehn Monaten gar nichts gegangen. Wir haben etwas Lohnentschädigung erhalten, aber für den Betrieb gar nichts.»
Er stellte etwas verloren fest: «Ich brauche Hilfe und ich bin ein Härtefall, da bin ich überzeugt». Der Unternehmer beschwerte sich in der Folge über die Bürokratie und meinte: «Ich habe Formulare ausgefüllt und mehr Formulare ausgefüllt und nochmals Formulare ausgefüllt – und ich habe auch immer wieder nachgefragt.»
Bis am 17. September 2020 habe er Lohnentschädigungen erhalten und anschliessend seien diese für mehr als 100 Tage ausgefallen. Offenbar habe es Probleme bei der IT gegeben. Am 105 Tag habe er schliesslich wieder Geld erhalten. «Ich habe eine ganz liebe Lebenspartnerin, ohne sie wäre ich finanziell schon lange am Ende.»
Hug hielt in der «Arena» fest, dass seine Firma knapp neun Jahre alt sei und er viel investiert habe. «Es lief noch nicht ganz alles so wie es sollte, mein Kapital war nach zehn Monaten aufgebraucht und jetzt soll es nochmals sechs bis sieben Monate so weitergehen? Das Wasser steht mir bis zu den Augen und ich bin kein Einzelfall!»
Politiker einig: Jetzt muss man entschädigen
Der emotionale Aufruf von Hug schien bei den anderen Studio-Gästen der gestrigen «Arena» angekommen zu sein. BAG-Lévy meinte: «Das löst bei mir extreme Betroffenheit aus» – und die Politikerinnen und Politiker waren sich für einmal einig: Jetzt muss man entschädigen. Doch bei der Frage, wie genau das geschehen sollte, zeigten sich erneut grosse Meinungsverschiedenheiten.
Gutjahr, deren Parteikollege und Bundesrat Ueli Maurer am Mittwoch klarstellte, dass er «frustriert» sei, dass «seine» Staatskasse für weitere Milliarden-Entschädigungen herhalten muss, meinte: «Völlig klar, dort wo geschlossen wird, muss entschädigt werden.»
SP-Widmer hielt dagegen: «Wir müssen alle retten, direkt und indirekt Betroffene und auch in Kauf nehmen, dass wir solche retten, die es vielleicht auch ohne Corona nicht geschafft hätten.» Schliesslich, so die Nationalrätin, gehe es darum, die Struktur aufrecht zu erhalten.
Spannend war die Analyse von Bäumle, der sich selbst als «knallharten Finanzpolitiker» bezeichnete und meinte, dass er in der ersten Welle noch gesagt habe, man könne nicht jeden retten.
«Wegen unseren Fehlern wird uns die zweite Welle viele Milliarden kosten. Wir haben nun viele Unternehmen, die das zweite Mal im Schlamassel sitzen. Wir müssen nun helfen, wir müssen Beiträge sprechen, Darlehen sind nicht mehr genug. Wir müssen einen Teil des Geldes erlassen – und das Geld muss schnell fliessen!»