Bauern-Proteste wie Klimakleber: Nicht zu Ende gedacht
Dank Bauern-Protesten können endlich auch Klimakleber ungestraft protestieren. Aber sonst? Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Bauern-Proteste halten Deutschland in Atem. Auch in der Schweiz droht Schnappatmung.
- Berechtigterweise? Übersehen wir etwas?
- Man ahnt es: Nein und Ja. Ein Kommentar.
Die Bauern-Proteste legen Deutschland lahm und sorgen für Sorgenfalten auf Schweizer Stirnen. Denn, so liest man, auch hierzulande soll es Bauern geben. Sogar in freier Wildbahn, wenn sie nicht gerade die Regierung besetzt haben: Mit Weinbauer Parmelin, dem gelernten Landwirt Jans, Agraringenieur Rösti und der Schwarznasen-Baume-Schneider.
Das kann einem schon Angst machen, denn schliesslich haben Bauern Heugabeln, zu viel Gülle und alle den genau gleichen Traktor. Sie krampfen Tag und Nacht, bei jedem Wetter, haben keine Zeit für Ferien und sind systemrelevant. Insofern ist aufkommender Ärger verständlich, wenn aus Spargründen bei ihnen die gar nicht lockeren Schrauben auch noch angezogen werden.
Insofern ist verständlich, dass sie Unterstützung von Schweizer Freiheitstrychlern erhalten. Bei denen wird zwar keine Schraube angezogen. Aber sie haben viel gemeinsam, zum Beispiel haben alle genau die gleiche Trychle.
Nicht zu Ende gedacht
Vor lauter Entrüstungsspirale geht dabei aber so manches vergessen. Klar, gegen die Missstände muss etwas unternommen werden. Doch scheint das Ganze nicht zu Ende gedacht. Was jetzt nicht eine Anspielung auf die agrarische Intelligenz sein soll, nein, nein.
Sprüche von wegen «die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln» werden Sie von mir nicht lesen. Schliesslich sind einheimische Erdäpfel immer wieder mal sogar zu klein. Was ja wohl nichts anderes heisst, als dass Schweizer Bauern Genies sind.
Aber zu Ende denken sollte man schleunigst. Bereits haben sich Spediteure und Klimakleber mit den Bauern solidarisiert. Jawoll, Klimakleber: Die geniessen es richtig, mal den Verkehr lahmzulegen, ohne dass jemand verhaftet wird. Denn wir wissen ja alle, wie die Sitzstreiks jeweils eskalierten: Mit Brummi-Fahrern, die die Streiksitzenden wegzerrten oder mit einigen Hundert Pferdestärken auf sie losfuhren.
Deshalb gilt es, die gleichgeschaltete Bauern-Armee sofort wieder in die Pampa zurückzubefehlen. Bevor ein Lastwagenfahrer einen Traktor wegzerrt. Denn Bauern haben ja, wie gesagt, gar kein Geld, um für die weite Fahrt bis nach Berlin aufzutanken.
Zeit für Streik, das ist was für die verwöhnte «Generation Z». Denn bei Bauern fällt sonst das Feriensaldo von Null ins Minus.
Es ist der erste Eindruck, der zählt
So aber entsteht der bedauerliche Eindruck, dass hier jemand schimpft und von der Sache wenig Ahnung hat. Denn worum geht es schon wieder? Richtig, die Sprit-Preise.
Nun mögen diese Bauern zwar nicht die grössten Kartoffeln haben, aber dafür die grössten Dächer. Dächer, auf denen Solarpanels für ein halbes Quartier Platz haben. Genau: Die Bauern sollten, statt zu klagen, doch proaktiv handeln und auf E-Traktoren umsteigen.
Ist die Traktor-Industrie schon so weit, ganze Agrarheerscharen mit tupfgenaugleichen Elektro-Zugmaschinen auszurüsten? Keine Ahnung.
Was, wenn mitten im Acker dem Pflug der Pfuus ausgeht? Soll der Bauer dann etwa den Kollegen Spediteur anrufen für einen Abschlepp-Freundschaftsdienst? Oder wenigstens einen Schubser zurück auf die Strasse, wie in guten alten Streik-Zeiten, nur umgekehrt? Wird zuletzt die ganze Landschaft verschandelt, weil an jeder Feld-, Wald- und Wiesenecke noch ein Traktor-Akku-Depot gebaut werden muss?
Woher soll ich das wissen? So entsteht jetzt der bedauerliche Eindruck, dass hier jemand schimpft und von der Sache wenig Ahnung hat. Aber, gegen die Missstände muss etwas unternommen werden. Diese Dieselzapfsäulen mitten in den Zuckerrüben sind schliesslich auch kein schöner Anblick.