«Bern unwürdig»: SVP-Aeschi prangert Obdachlosen-Politik an

Christof Vuille
Christof Vuille

Bern,

SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi ärgert sich über Obdachlose. Er postet Bilder der «traurigen Realität» und attackiert Berns Regierung. Diese verteidigt sich.

Thomas Aeschi Bern SVP
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi stellt einen wohl obdachlosen Mann an den Internet-Pranger – er wolle bloss die «traurige Realität» zeigen. - Keystone/twitter

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein obdachloser Mann in der Stadt Bern landet «dank» SVP-Mann Thomas Aeschi im Netz.
  • Solche Bilder seien der Bundesstadt «unwürdig», sagt er – und attackiert die Behörden.
  • Die Stadt Bern wehrt sich vehement: Es gebe genügend Angebote für Schlafplätze.

Armut existiert auch in der reichen Schweiz, viele Menschen haben kein Obdach. Ein Betroffener hat die Nacht auf Dienstag scheinbar im Herzen der Stadt Bern vor dem «Loebegge» verbracht, wo täglich Tausende Pendler und Touristen vorbeigehen.

Einer von ihnen war SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi, der den «Tatort» um 7.36 Uhr auf dem Weg ins Bundeshaus passierte. Das Bild machte den Zuger hässig – flugs postete er es auf all seinen reichweitenstarken Kanälen in den sozialen Medien.

SVP Aeschi Obdachlos
Aeschi postete das Bild auf Instagram, Twitter und Facebook und muss Kritik einstecken. - Screenshot Facebook

Das führte zu happigen Vorwürfen verschiedener User. «Hilf diesem Menschen, anstatt politisch Profit daraus zu schlagen», meint jemand. Ein anderer giftet: «Aeschi, du bist einfach eine widerliche Person.»

Aeschi: «Solche Bilder sind der Bundesstadt unwürdig»

Eine Erklärung zum Bild lieferte der Zuger nicht. Auf Anfrage von Nau.ch erklärt er: «Ich will mit dem Bild die traurige Realität in der Stadt Bern zeigen.» Er pendle seit elf Jahren in die Stadt. «In dieser Zeit hat die Armut massiv zugenommen, es sind sehr viele Obdachlose zu sehen», behauptet Aeschi.

Thomas Aeschi Marco Chiesa
SVP-Fraktionschef Aeschi ist oft in Bern unterwegs – hier mit Parteipräsident Marco Chiesa. - Keystone

Seine Kritik gelte nicht der gezeigten Person, sondern den Behörden. «Die linke Stadtregierung muss sich ernsthaft fragen, warum diese Person im Freien schlafen muss.» Offensichtlich sei ihr kein Schlafplatz zur Verfügung gestellt worden. Für den SVPler ist klar: «Solche Bilder sind der Bundesstadt unwürdig.»

Berner Behörden: «Person seit längerem bekannt»

Der Informationsdienst der Stadt Bern weist auf Anfrage darauf hin, dass die Stadt eine Leistungsvereinbarung mit dem Passantenheim der Heilsarmee habe. «Dort finden Personen, die unmittelbar ein Bett brauchen, unkompliziert Aufnahme.» Aktuell habe es freie Betten, zudem fänden sich weitere Angebote bei der Wohn- und Obdachlosenhilfe des Sozialamtes.

«Die Erfahrung zeigt, dass ein ausreichendes Angebot an Unterbringungsmöglichkeiten für obdachlose Personen besteht.» Es gebe jedoch Personen, die auf Hilfe verzichteten oder Hilfsangebote nicht annehmen könnten beziehungsweise wollten. Dies geschehe aus persönlicher Überzeugung oder infolge einer psychischen Belastung.

Geben Sie Bettlern Geld, wenn sie Ihnen leidtun?

Diese Menschen würden aber, wenn möglich, durch entsprechende Fachpersonen der Stadt oder durch beauftragte Organisationen aufgesucht. «Sie werden dabei immer wieder auf Angebote hingewiesen und motiviert, diese in Anspruch zu nehmen.» Das gelte auch für den vorliegenden Fall, denn: «Die Person ist seit längerem bekannt.»

Ueli Maurer bezeichnete Bern 2006 als «Slum»

Es ist nicht das erste Mal, dass die SVP-Führung auf die Stadt Bern losgeht. 2006 schimpfte der damalige Parteipräsident Ueli Maurer: «Die Stadt Bern ist in den letzten Jahren praktisch verslumt. Das kann nur das Resultat von einer Bevölkerung sein, die mehr Linke will.»

Ueli Maurer 2006
Ueli Maurer beschimpfte die Stadt Bern als SVP-Parteichef bereits 2006 als «Slum» – der damalige Stapi Alex Tschäppät nannte dies «blanken Unsinn». - Keystone

Sicher ist: Die obdachlose Person auf Aeschis Bilder ist unkenntlich gemacht. In einer ersten Version des Posts hingegen war der Mann erkennbar. Auf einen entsprechenden Hinweis von Nau.ch hat der SVP-Mann umgehend reagiert.

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