CO2-Gesetz überzeugt Politik – und das Stimmvolk, Herr Longchamp?
Zwar habe die Pandemie die Klimadebatte verdrängt, doch die Meinungen seien gemacht: Politologe Claude Longchamp hält ein Ja zum CO2-Gesetz für wahrscheinlich.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Stimmvolk stimmt am 13. Juni über das CO2-Gesetz ab.
- Das Pro-Lager ist sehr breit aufgestellt, einzig die SVP wirbt für ein Nein.
- Trotz Corona-Krise hält Politologe Claude Longchamp ein Ja weiterhin für wahrscheinlich.
Im Parlament war das CO2-Gesetz lange umkämpft und drohte zwischenzeitlich gar zu scheitern. Im Herbst 2020 einigten sich die Parteien auf eine Schweizer Strategie als Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel.
Eine unheilige Allianz aus Teilen der Klimajugend und rechtsbürgerlichen Kreisen ergriff gegen das CO2-Gesetz aber das Referendum. Am 13. Juni kommt es somit zur Volksabstimmung über die Gesetzes-Revision. Das Ja-Lager ist sehr breit aufgestellt und reicht von den Grünen bis zur FDP.
Von den grossen Parteien setzt sich einzig die SVP für ein Nein ein. Sie befürchtet ausufernde Kosten und zweifelt am Nutzen des Klimaschutzes.
«Nein zum CO2-Gesetz ist unwahrscheinlich»
Unterstützung erhält das Nein-Lager unter anderem von der Auto- und Erdöl-Lobby. Obwohl auch verschiedene Verbände wie Gastrosuisse für ein Nein kämpfen, hält Politologe Claude Longchamp die Chancen der Annahme für durchaus gegeben.
«Ein Nein ist wenig wahrscheinlich», sagt der Politologe im Abstimmungstalk mit Nau.ch. Nur Überraschungen könnten ein grossmehrheitliches Ja noch abwenden.
Als positive Referenz zieht Longchamp Abstimmungen wie diejenige zur Energiewende heran. Diese erzielte rund 60 Prozent Ja. Die Autobahnvignette ist die negative Referenz. Die Opposition siegte nach einem Kommunikationsfehler von Bundesrätin Doris Leuthard.
Das Argument der Gegner, die finanziellen Belastungen gerade für Familien fielen immens aus, sei vielmehr ein Prinzipienstreit. Der Umverteilungsmechanismus werde von liberalen Kreisen begrüsst, weil er exakt ihrer Vorstellung von Umweltpolitik entspreche, so Longchamp. Wer belastet zahlt, wer nicht belastet erhält etwas zurück: «Die meisten Statistiken zeigen, dass es sehr wohl Personen gibt, die von der Vorlage profitieren werden.»
Investitionen: Geld für den Staat
Ein anderer Angriffspunkt sei hingegen, dass auch Investitionen für eine ökologische Politik finanziert werden. «Das heisst: Ein Teil dieses Geldes bleibt in Staatshänden und genau das ist etwas, was die Gegner auch ärgert.» Dies sei die stärkste Argumentation auf Seiten der Gegner, ist Longchamp überzeugt.
«Allerdings wird sie sehr vereinfacht und sehr überzeichnet vorgebracht», entsprechend werde sie stark angegriffen und relativiert. Kritisiert werde, dass es um rein finanzielle Aspekte gehe und die Kosten ohne jegliches Gesetz nicht beurteilt würden. «Dort haben dann doch die Befürworter die besseren Argumente», so Longchamp.
Pandemie verdrängt Klima-Krise nur wenig
Natürlich habe die Corona-Krise die Klima-Krise überlagert und die Dringlichkeit von Massnahmen sei relativiert worden. Aber, betont Longchamp: «Ob auch die Wichtigkeit von Massnahmen im Klimabereich relativiert worden sei, wage ich zu bezweifeln.»
Bei kantonalen und städtischen Wahlen zeige sich unverändert eine Grüne Welle. Einen fundamentalen Bruch gegenüber den Prioritäten von vor einem Jahr kann Longchamp darum nicht erkennen. Etwas gestiegen sei aber das Misstrauen in Behörden. Das mache es für Neuerungen schwerer.
Gerade deshalb sei die Argumentationslinie der Befürworter gut aufgestellt. «Auch der Strauss der Befürworter ist sehr interessant. Es ist nicht nur Bundesrätin Sommaruga, die allenfalls Angriffsfläche bieten könnte als Vertreterin der Linken. Es sind auch sehr viele Umweltorganisationen, fast alle namhaften Wirtschaftsorganisationen.»
Nicht zuletzt seien auch die 100 Wissenschaftler ein Faktor, die sich hinter das CO2-Gesetz stellen. «Sie sagen: Es ist richtig, wenn man Ja stimmt, es ist notwendig, weil man jetzt noch etwas machen kann.» Verleugnen könne man den Klimawandel nicht und das Parlament habe die richtigen Massnahmen vorgeschlagen.
Zugeständnisse an FDP isolieren SVP
Mit im Boot ist auch die FDP. Ihr sei das Parlament in der zweiten Runde der Beratungen zum CO2-Gesetz stark entgegengekommen. So sei aus einer Mitte-Links-Vorlage eine überparteiliche geworden. «Darum wirkt die SVP heute isoliert», so Longchamp. Knackpunkt für die FDP sind aber abfallende Kantonalparteien.
Bei der FDP sei ein strategischer Entscheid vorausgegangen, ein Kurswechsel weg von der SVP und hin zur Mitte. So seien am Ende «nur» die Jungfreisinnigen gegen das CO2-Gesetz gewesen. Longchamp ist überzeugt: «Der entscheidende Kampf wird in der FDP zwischen Mutter- und Jungpartei ausgetragen.»