Coronavirus: Floyd-Demos sorgen für Kopfzerbrechen
Trotz Verbot gehen Tausende auf die Strasse und demonstrieren gegen Rassismus. Das birgt Gefahr für eine zweite Welle des Coronavirus. Und erzürnt Politiker.
Das Wichtigste in Kürze
- Landauf landab gehen Menschen auf die Strasse und protestieren gegen Rassismus.
- Polizei und Behörden tolerieren die Anlässe trotz den weiterhin geltenden Corona-Regeln.
- So seien Verbote von Grossveranstaltungen nicht mehr zu begründen, findet etwa SVP-Köppel.
Samstag, 9. Mai in Bern. Am Nachmittag trifft sich auf dem Bundesplatz eine bunte Truppe von Lockdown-Skeptikern, Esoterikern und 5G-Gegnern zu einer Demonstration. Die Polizei ist präsent, riegelt den Bundesplatz ab und zeigt viele der wenigen hundert Teilnehmer an. Behörden und Politiker appellieren an den gesunden Menschenverstand und verurteilen die Demos scharf.
Mittlerweile hat sich die Situation ums Coronavirus entspannt. Kleine Demos sind wieder erlaubt, Bussen wegen nicht eingehaltener Distanzregeln werden keine mehr ausgesprochen. Grossveranstaltungen hingegen sind weiterhin verboten, wie fast auf der ganzen Welt gilt ein Corona-Regime.
Wenige Schutzmasken an Demos – Polizei greift nicht ein
Doch das scheint nicht mehr zu interessieren. Nach der brutalen Ermordung des Afroamerikaners George Floyd durch einen US-Polizisten strömen auf der ganzen Welt tausende auf die Strassen, um gegen Rassismus zu protestieren. Auch in der Schweiz.
In Lausanne zogen am Sonntag über 2000 Menschen durch die Strassen, in Zürich und Biel fanden Demos mit vierstelliger Teilnehmerzahl statt. Bewilligt sind die Anlässe nicht, doch die Polizei lässt die Aktivisten gewähren. In Basel solidarisierten sich Beamte gar mit den Demo-Teilnehmern.
Auffallend: Im Gegensatz zu ausländischen Demos trägt in der Schweiz kaum jemand eine Schutzmaske. Epidemiologen sind deshalb alarmiert. Marcel Salathé von der ETH Lausanne warnt in der «Tagesschau» vor Super-Spreadern.
Einzelne Infizierte könnten bei solchen Veranstaltungen sehr viele Menschen anstecken. Eine Rückverfolgung der Ansteckungsketten ist dabei quasi ausgeschlossen. Mahnende Worte seitens der Behörden sind kaum zu vernehmen. Die Demos werden toleriert. Das ärgert täglich mehr Bürger und auch Politiker.
Roger Köppel (SVP) zu Coronavirus: «Behörden nicht mehr ernst zu nehmen»
SVP-Nationalrat Roger Köppel findet, die Behörden «mit ihren Corona-Konzepten und Bussen» seien nicht mehr ernst zu nehmen. Wenn Demos toleriert würden, seien Sportanlässe und Kulturveranstaltungen «sofort» wieder zuzulassen, sagt er zu Nau.ch
Es werde nicht mit gleichen Ellen gemessen, begründet der «Weltwoche»-Chef seine Haltung. Wenn diese Demos toleriert würden, könne man auch gleich Fussballstadien füllen und behaupten, es handle sich um eine politische Kundgebung, so Köppel.
Auch SP-Nationalrat Cédric Wermuth ist bei den Bildern nicht ganz wohl. «Es ist eine sehr heikle Situation», sagt er offen. Inhaltlich unterstütze er die Demos voll und ganz. «Auch bei uns ist Rassismus ein sehr reales Problem.»
Das Thema beschäftige offensichtlich so stark, dass sich Demos ohne massive Repression nicht verhindern lassen. Ausserdem würden Experten davor warnen, dass Tränengas das Virus weiterverbreiten könne.
Cédric Wermuth (SP): «Bitte demonstriert mit Schutzmaske!»
Deshalb sei die polizeiliche Zurückhaltung richtig. «Aber ich appelliere an die Teilnehmer, corona-konform zu demonstrieren. Tragt eine Schutzmaske und haltet den Abstand so gut wie möglich ein!», so Wermuth.
Der Top-Favorit fürs SP-Co-Präsidium zeigt auch Verständnis für den Unmut von eingeschränkten Unternehmern angesichts der Menschenansammlungen. Dennoch wäre es «fahrlässig», jetzt schon etwa Sportveranstaltungen mit Publikum zuzulassen. «Wir müssen bis auf Weiteres mit dieser Widersprüchlichkeit leben», sagt Wermuth offen.