Coronavirus: Lockdown-Befürworter radikalisieren sich
Die Gegner der Schweizer Corona-Strategie werden immer lauter. Nun sind Demos und eine eigene Partei Thema. Tricks holen sie sich bei den «Schwurblern».
Das Wichtigste in Kürze
- In den sozialen Medien radikalisieren sich die Massnahmen-Befürworter immer stärker.
- Diskutiert werden etwa Demonstrationen oder gar die Gründung einer eigenen Partei.
- Sollte der Bundesrat tatsächlich lockern, dürfte der Aufschrei laut ausfallen.
Über Monate hinweg dominierten Massnahmen-Gegner die Debatte rund um das Coronavirus. Die Skeptiker organisierten sich via Telegram, gingen zu tausenden auf die Strassen und verbreiteten teilweise wildeste Verschwörungstheorien.
Seit dem klaren Ja zum Covid-Gesetz Ende November ist es ruhig geworden um «Massvoll», «Freunde der Verfassung». und «Freiheitstrychler». Immer lauter werden nun aber jene, welche sich knallharte Massnahmen wie Lockdowns wünschen.
Seit die gemäss jüngsten Erkenntnissen ansteckende, aber milde Omikron-Variante die Fallzahlen in die Höhe schnellen lässt, sehen diese ihre Felle davonschwimmen.
Auf dem sozialen Netzwerk Twitter hat sich eine Blase gebildet, welche trotz zehntausenden Fällen pro Tag weiterhin am «LowCovid»-Konzept festhalten will. Dabei gilt es zu bedenken, dass die Twitter-«Community» keineswegs repräsentativ ist für die Gesamtbevölkerung, da der Grossteil nicht zwitschert.
Am Dienstag war #DurchseuchungOhneUns der beliebteste Hashtag in der Schweiz, gefolgt von #ProtectTheKids. Die Bilder aus Adelboden mit feiernden Menschen beflügelte die Bewegung – trotz Zertfikatspflicht und der Tatsache, dass die Party um den grossen Sieg von Marco Odermatt draussen stattfand.
«Organisieren wie die Schwurbler»
Die Aktivisten sparen nicht mit deutlichen Voten und werden auch zunehmend aggressiver. Eine «Gegnerin der Durchseuchung» meinte diese Woche, sie sei dabei, sich «zu radikalisieren». Sie fragt rhetorisch: «Organisieren wir uns wie die Schwurbler?».
Der Tweet wurde fast 200 mal weiterverbreitet und über 1000 mal mit einem Herzchen versehen – für Schweizer Verhältnisse eine Zahl, von der Politiker nur träumen können. Das Echo ist ebenfalls immens. Viele Schweizerinnen und Schweizer wollen sich der Anti-Durchseuchungs-Bewegung anschliessen.
Elvira Greco, einer der Stars der Szene, regt gar die Gründung einer Partei an, die sich auf die Wissenschaft stützt. Schliesslich sei die «Arena» vom letzten Freitag ein «Trauerspiel» gewesen. Tatsächlich lobt mittlerweile sogar SP-Chef Cédric Wermuth den Bundesrat für seine zurückhaltende Strategie.
Die Blase der Lockdown-Befürworter entfernt sich auch zunehmend von der Wissenschaft. Selbst die Taskforce spricht sich mittlerweile für eine Verkürzung der Isolations-Dauer aus. Und Experten wie Marcel Salathé drängen auf eine Lockerung der Quarantäne-Regeln.
Massnahmen-Befürworter machen mobil
Davon halten die Anhänger von tiefen Fallzahlen nichts. Einige fordern, Demos zu organisieren. Das wiederum ist intern umstritten, da ja gerade Menschenansammlungen verhindert werden sollen. Deshalb werden Vorschläge laut, die Massnahmengegner «zu infiltrieren», um «zu sehen wie das geht». Selbst Telegram-Gruppen werden vorgeschlagen, um sich zu organisieren.
Neben radikalisierten Befürwortern der Lockdowns, die sich teilweise als «Coronarier» bezeichnen und fordern, den Bundesrat vor Gericht zu stellen, gibt es neugegründete Verbände.
Diese kommunizieren im normalen Rahmen. So wehrt sich etwa die Gruppierung #ProtectTheKids gegen die «Durchseuchung». Sie fordert vom Bundesrat am Mittwoch Massnahmen, ohne dabei konkret zu werden.
Bundesrat dürfte lockern statt verschärfen
Das Problem: Um die aktuelle Omikron-Welle zu brechen, würde wohl selbst ein Lockdown nicht mehr ausreichen. Hinzukommen müssten wahrscheinlich Ausgangssperren, konsequentes Homeschooling und drastische Einschränkungen im privaten Bereich.
Dass der Bundesrat sich in diese Richtung bewegt, ist praktisch auszuschliessen. Erwartet werden eher Lockerungen mitten in die Omikron-Wand hinein. So dürfte etwa die Quarantäne eher früher als später ganz abgeschafft werden.
Die Reaktionen der Massnahmen-Befürworter werden heute Nachmittag laut, heftig und aggressiv ausfallen. Ob sie es schaffen, eine ernstzunehmende Bewegung zu gründen, zeigen die nächsten Wochen und Monate.