Debatte zum CO2-Gesetz im Nationalrat mit aufgeheiztem Klima
Der Nationalrat beugt sich heute und morgen über das CO2-Gesetz. Ein zweites Mal soll es nicht scheitern, doch die Debatte wird giftig geführt.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei der Debatte ums CO2-Gesetz im Nationalrat ist auch die Stimmung aufgeheizt.
- Parlamentariern oder der Bundespräsidentin wird vorgeworfen, keine Ahnung zu haben.
- Nach beiden Seiten wehren muss sich die FDP, namentlich bei der Flugticketabgabe.
Die Revision des CO2-Gesetzes hat das Parlament bereits einmal versenkt. Trotz Corona-Krise soll dies nicht noch einmal passieren. Statt Doris Leuthard ist jetzt Simonetta Sommaruga Umweltministerin; ihr obliegt es, Massnahmen gegen den Klimawandel trotz finanzieller Bedenken zu verteidigen. «Ich bin froh, dass wir diese Debatte heute führen können», begann Sommaruga ihre Ausführungen – dann aber kam der Gegenwind.
Obwohl die breite Mehrheit Massnahmen gegen den Klimawandel unterstützt, strotzt die Debatte vor Seitenhieben und persönlichen Angriffen. Schon am Morgen forderte SP-Nationalrat Beat Jans den SVP-Präsidenten Albert Rösti persönlich heraus, weil dieser auch Präsident von Swissoil ist. Dieser stellte Redner Jans eine Frage und unterstellte ihm eine Falschaussage. Dem sei nicht so, konterte Jans, «wenn Sie zugehört hätten, Herr Rösti».
Hört denn niemand zu?
Namentlich die SVP zeigte sich frustriert, weil ihr die Zahlen und Wirkungen des CO2-Gesetzes zu wenig konkret sind. Mit ihrem giftigen Nachhaken biss sie aber regelmässig auf Granit. Für gehobene Augenbrauen im Saal sorgte ein Schlagabtausch zwischen SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi und Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga.
Aeschi unterstellte Sommaruga, sie habe wohl etwas Mühe gehabt mit der Ausarbeitung der Gesetzesvorlage. Wohl weil sie «nur» Anglistik und Romantik studiert habe (Sommaruga hat Romanistik studiert). Was den nun mit den Pro-Kopf-Emissionen sei?
«Wahrscheinlich haben Sie nicht zugehört, Herr Aeschi», blaffte Sommaruga zurück an den Absender, der einen Harvard-Abschluss hat. «Für den Rest, glaube ich, sprechen sie für sich selber.»
Umstrittene Flugticketabgabe
Streitpunkt ist unter anderem nach wie vor die Flugticketabgabe. Sie wird von der SVP als unnötig und seitens der kleinen Schweiz wenig hilfreich angesehen wird. Der Präsident der Grünliberalen, Jürg Grossen, sieht die SVP derweil bereits im Abstimmungskampf –daher auch die persönlichen Angriffe. «Die SVP hat mit Argumenten operiert, die den Zahlen und Fakten komplett widersprechen», so Grossen im Nau.ch-Interview.
Ein Kränzchen windet Grossen dagegen der FDP, die im Ständerat massgeblich zur Neuaufgleisung des CO2-Gesetzes beigetragen habe. «Die FDP hat tatsächlich einen grossen Wandel gemacht zu einer klimafreundlichen Politik». Seine Kritik an den Liberalen bezüglich der Verzögerungstaktik bei der Flugticketabgabe relativiert der Grünliberale. Es gebe da durchaus Nuancen und Goodwill.
FDP im Zweifrontenkrieg
Ins Visier der SVP geriet deshalb auch die FDP mit Fraktionssprecher Matthias Jauslin, der schnippisch auf Fragesteller Andreas Glarner reagierte. «Wenn Sie, Herr Glarner, das noch nicht begriffen haben, kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.» Es wurde nicht besser, als FDP-Parteikollege Hanspeter Portmann Jauslin eine Steilpass-Pseudo-Frage stellte: «Ich kann der SVP nicht erklären, was sie nicht versteht.»
Umgekehrt wurden auch FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen die Leviten gelesen, aber von Simonetta Sommaruga. Er habe in einem Bericht des Bundesamts für Umwelt (Bafu) gelesen, die Flugticketabgabe führe gar zu einer Erhöhung der CO2-Emissionen. Sommaruga war… erfreut: «Danke, Herr Wasserfallen, dass Sie die Berichte des Bafu lesen. Es ist jeweils gut, wenn Sie dann den ganzen Bericht lesen, und nicht nur die Sätze, die Ihnen jetzt vielleicht etwas mehr entgegenkommen.»
Sommaruga kommt in Fahrt
Die Nerven – beiderseits – lägen nicht gerade blank, aber seien immerhin sichtbar, bemerkte ein Parlamentarier zum aufgeheizten Klima in der Klimadebatte. Bundespräsidentin Sommaruga stellte eins ums andere Mal Parlamentarier in den Senkel. Wohl auch, weil sie immer wieder gereizt wurde, wie von SVP-ler Christian Imark: «Ich entschuldige mich, aber es geht auf keine Kuhhaut, was Sie jetzt gesagt haben.»
Wohl deshalb deckelte sie auch SVP-Nationalrat Pierre-André Page in fliessendem Französisch ein mit «Ich weiss nicht, ob Sie mich nicht verstanden haben». Eine Formulierung, die später im Protokoll entschärft wurde zu «vielleicht haben Sie mich falsch verstanden». Ein unverzeihlicher Faux-pas – das ist dann halt, wenn man Romanistik studiert, aber nie abschliesst.