Die GLP ist bürgerlich, ist es nicht, ist bürgerlich, ist es nicht…

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Die Grünliberalen sind schwer fassbar: Für das Stimmvolk, aber auch für die anderen Parteien. Unfassbar findet sich selbst die GLP.

Jürg Grossen Grünliberale
Jürg Grossen, Parteipräsident der Grünliberalen, gibt das Zeichen zum Start einer digitalen Delegiertenversammlung, am Samstag, 4. Juli 2020, in einem Büro des Generalsekretariats der GLP in Bern. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Grünliberalen sind mal bürgerlich, mal nicht: Nun gibt es darob sogar Streit.
  • Was die GLP wirklich ist, scheint die Partei aber selbst nicht wirklich zu wissen.

Als «dynamische und innovative Partei» bezeichnen sich die Grünliberalen gerne selbst. Das stellen sie immer wieder unter Beweis, wenn sie geniale Lösungsvorschläge einbringen, die mal gut, mal weniger gut ankommen. Oder wenn sie die erste bürgerliche Partei erfinden, die nicht bürgerlich ist. Oder doch, je nachdem, wen man fragt – und wann.

«Nein!» – «Doch!» – «Oooh!»

Im Kanton Luzern eskaliert aktuell der Streit über die politische Klassenzugehörigkeit der Grünliberalen: «Die GLP ist keine bürgerliche Partei», sagen unisono die Klassenbesten, die SVP und FDP. Doch, ist sie, findet der KMU- und Gewerbeverband des Kantons Luzern (KGL) und empfiehlt GLP-Mitglied Claudia Huser zur Wahl in die Regierung.

Claudia Huser glp
Claudia Huser will für die GLP in den Luzerner Regierungsrat und ist… bürgerlich? - claudia-huser.ch

Derweil in Bern gemäss nationaler SVP «die vier bürgerlichen Parteien» einen Schulterschluss bei der BVG-Reform proben. Bei dieser geht es um Zahlen, Zahlen und Auszahlen. Zählen können wir aber auch: SVP plus FDP und Mitte gibt ziemlich genau drei, aber ganz bestimmt nicht vier.

Doch selbst die anerkannte Koryphäe für bürgerliche Belange (seit 1780), die «NZZ», schreibt gestern: Es sei alles dabei, was in der bürgerlichen Schweiz Rang und Namen habe. Nämlich, unter anderem, «die Parteichefs von SVP, FDP, Mitte und GLP». Ha!

Wenn die Rechte nicht weiss, was die Rechte tut

Gerade in Gewerbekreisen scheint die GLP einiges an Konfusion anzurichten. So hat der Aargauer Gewerbeverband (AGV) während rund einem Jahrzehnt regelmässig vor Wahlen definiert, was er für gut und bürgerlich befinde. Nämlich unter anderem die GLP. Obschon 2015 Markus Zemp, damaliger Präsident der CVP Aargau, schimpfte: «Die GLP ist eine linke Partei.»

Aargauer Gewerbeverband Grünliberale
Als bürgerliche Partei durfte die GLP Aargau in der Zeitschrift des Aargauischen Gewerbeverbands, Nr. 9/2015, für sich Werbung machen. - agv.ch

Zum gleichen Schluss gelangte auch ein Jahr später der bernische BDP-Politiker Heinz Siegenthaler. Nicht, dass der AGV durchgehend zufrieden mit der grünliberalen Bürgerlichkeit gewesen wäre – doch scheint der AGV generell schwer zufriedenzustellen zu sein. So hiess es 2013: «Die SVP hat ihren Elan etwas eingebüsst, FDP und CVP zeichnen sich durch Inkohärenz aus, BDP und GLP sind eher unzuverlässig.»

Würden Sie sich einen grünliberalen Sitz im Bundesrat wünschen?

Ganz im Gegensatz zur Kohärenz und Zuverlässigkeit des Gewerbes. Vor drei Jahren gelangte der AGV-Vorstand zur Einsicht, «dass die GLP keine bürgerliche Partei ist und die Anliegen des Gewerbes nicht vertritt». Also das Gegenteil der Gewerbe-Verbündeten im Nachbarkanton Luzern.

Gretchenfrage an die Grünliberalen

Oder finden die Grünliberalen in ihrer Extravaganz einfach nirgends so richtig Anschluss? Denn bei der politischen Konkurrenz will man sie auch höchstens als Listenverbindungspartner: «Die GLP ist eine bürgerliche Partei», so das Verdikt von Lisa Mathys, Co-Präsidentin der Basler SP.

glp lab grünliberale
«Das offene Politlabor glp Lab weckt den Erfindergeist in der Politik und schafft einen kreativen Raum für innovative Lösungen», heisst es zu diesem Bild. - grunliberale.ch

Damit widerspricht sie diametral der Selbsteinschätzung zehn Jahre zuvor durch David Wüest, Präsident der GLP Basel-Stadt: «Die GLP ist keine bürgerliche Partei.» Gut, dann war das wohl einfach ein Missverständnis, schön haben wir das endlich geklärt.

Oder auch nicht, denn was in Basel gilt, das wissen nicht nur Grünliberale, muss in Zürich noch lange nicht der Wahrheit entsprechen. «Wir sind nicht bürgerlich», liess sich 2013 der Stadtzürcher GLP-Fraktionspräsident Gian von Planta zitieren, «sondern grün und liberal». Ach so ist das… jetzt, wo Sie das sagen, leuchtet das natürlich ein.

GLP: Ganz bürgerlich gegen Bürgerliche

Entsprechend wettern diverse GLP-Sektionen immer wieder gegen die widrigen Umstände, die ihre innovative Dynamik ausbremsen. «Nun hat aber die bürgerliche Mehrheit» im Zürcher Kantonsrat, klagt ein Parlamentarier, ganz zu schweigen vom «bürgerlich dominierten Regierungsrat». Auch vom «bürgerlich dominierten Parlament» im Kanton Bern ist man enttäuscht, desgleichen braucht es Gegensteuer gegen den «bürgerlich dominierten Ständerat».

Das geniale Konzept der Grünliberalen erschliesst sich uns Laien natürlich mal wieder nicht sofort. Denn die Schwyzer Kantonalpartei wirbt 2020 für Michael Spirig als Kandidaten «auf bürgerlicher Seite». Aus dem Bezirk Winterthur schafft auch Thomas Trüb keine Klarheit, als «bürgerlicher, offener Kandidat».

Uitikon GLP Grünliberale bürgerlich
Die Sektion Uitikon der Grünliberalen Partei sucht nach bürgerlichen Gleichgesinnten. - grunliberale.ch

2013 waren die Zürcher Grünliberalen «nicht bürgerlich», 2023 strafen sämtliche Ortssektionen aus Züri West dies Lügen. Von Uitikon bis Oberengstringen sucht die GLP «Gleichgesinnte, die sich mit uns für eine bürgerlich-liberale und ökologisch nachhaltige Lokalpolitik einsetzen». Als dynamische und innovative Partei darf man das.

Kommentare

User #6148 (nicht angemeldet)

Man sollte vielleicht besser mal den Begriff "liberal" hinterfragen, dem sich die FDP aus historischen Gründen bedient. Und: Die Grünliberalen wurden quasi als Auffangbecken für unzufriedene Mitglieder der stark erodierten bürgerlichen FDP gegründet und drifteten dann als faktische Einthemenpartei zwangsläufig ins (gemässigte) linksgrüne Lager ab. Alles so kompliziert, dass heutzutage letzlich nur die "bürgerliche" SVP als Alternative für abtrünnige FDPler zur Verfügung steht. Die Grünliberalen aber werden wegen fehlendem Alleinstellungsmerkmal in den nächsten 5 Jahren von der politischen Bühne wieder verschwinden.

User #1877 (nicht angemeldet)

Eine reine Lobbypartei, deshalb unnötig und unwählbar.

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