Fragestunde mit Christoph Blocher: Der Faktencheck
Journalisten fragten, Christoph Blocher gab Antworten, und nicht nur zu den Fragen. Ist alles kohärent, was der SVP-Doyen am Dienstag sonnenklar fand?
Das Wichtigste in Kürze
- Christoph Blocher hat in seiner eigens anberaumten Fragerunde diverse Aussagen gemacht.
- Hauptsächlich zur SVP und der Klimapolitik, aber er ist auch immer wieder abgeschweift.
- Nau hat einige prägnante Aussagen herausgepickt und dem Faktencheck unterworfen.
Viele hätten ihn angefragt, zu viele. Deshalb stellte sich SVP-alt-Bundesrat Christoph Blocher den Journalisten-Fragen gleich im Plenum. Gefragt wurde. Geantwortet auch.
Themen waren keine gesetzt, und so nutzte Christoph Blocher die Gelegenheit, auch fleissig abzuschweifen oder in Nebensätzen zu sticheln. Wir haben einige der Aussagen herausgepickt und überprüft, ob da beim Kaminfeuer-Plauderton auch kein Jägerlatein hinzugedichtet wurde.
Leben und Waldsterben
Blocher: «Was geschieht nach dem Tod? Es kamen immer neue Menschen, und die Welt geht weiter. Siehe, die Erde ist nicht verdammt. (Kichert) Ja… das ist Albert Ankers grosse Botschaft: Es geht irgendwie weiter.»
Völlig richtig: Das Leben geht weiter, es kommen immer neue Menschen. «Siehe, die Erde ist nicht verdamt» ist tatsächlich eine Botschaft von Albert Anker, Blochers Lieblings-Maler. Nur: Ursprünglich stammt das Zitat nicht von Anker, sondern aus dem Katechismus des Neuenburger Pfarrers Johann Friedrich Osterwald (1663-1747).
Und hier wird es etwas brenzlig für Christoph Blocher: Osterwald war ein Wegbereiter der Aufklärung. Aufklärung im 17. Jahrhundert bedeutete: Kampf gegen Vorurteile und Hinwendung zu den Naturwissenschaften. Dazu kommen wir noch.
Blocher: «Wie lange hat man vom Ozonloch gesprochen? Vom Waldsterben? Und es sind immer Weltuntergangsszenarien!»
Christoph Blocher will nicht eine Antwort, sondern unterstellt, dass diese Themen ja auch schon falscher Alarm waren. Weil man nicht mehr davon spricht. Korrekt ist: Man spricht kaum mehr davon. War es falscher Alarm?
Beim Waldsterben hat Christoph Blocher zumindest teilweise recht. Die «neuartigen Waldschäden» wurden zum Beispiel auch von der Botanik-Koryphäe Heinz Ellenberg kritisch betrachtet. Das Ozonloch dagegen verschwand aus den Schlagzeilen, weil die Welt konkret handelte – anders als beim Klimawandel. Im Montreal-Protokoll von 1987 wurden ganze Stoffklassen schlicht verboten.
Und jetzt: Das «Modethema Klima»
Blocher: «Es ist ja hoch-umstritten, ob das [der Klimawandel] selbst gemacht ist.»
Nein. Zwar gibt es unter den Klimatologen sehr wohl eine Reihe Skeptiker, diese sind jedoch deutlich in der Minderheit. Zu einem «hoch-umstritten» reicht dies nicht.
Blocher: «Das geht auch wieder vorbei. […] Ich mische mich nicht in diese pseudo-wissenschaftlichen Diskussionen ein.»
Wie würde man tausenden Wissenschaftlern nachweisen, dass sie eine pseudo-wissenschaftliche Diskussion führen? Mit… noch mehr Wissenschaftlern? Oder meint Christoph Blocher die Diskussionen bei den Demos?
Blocher: «Es ist auch etwas mehr eine Glaubensfrage. Wie wenn eine Religion etwas verkündet und Sie wollen sagen, das stimmt nicht: Da sind Sie machtlos.»
Korrekt, da ist man machtlos. Eine Glaubensfrage ist es allerdings nur, wenn man sich nicht – im Sinne der Aufklärung – den Naturwissenschaften hinwendet.
Noch mehr Umweltschutz
Blocher: «Die ganze Gewässerverschmutzung haben wir unter Kontrolle. Wir haben eher sogar zu sauberes Wasser, wie mir die Fischer sagen.»
Das ist falsch im ersten Teil und nicht korrekt im zweiten. Christoph Blocher bezieht sich wohl hauptsächlich auf den Phosphat- und Nitrat-Eintrag; dieser ist plus-minus eingedämmt. Doch offizielle Messungen zeigen, dass viel zu viele Rückstände von Medikamenten, Reinigungsmitteln, Pestiziden und Pflegeprodukten in die Gewässer gelangen.
Richtig ist: Fischer klagen sehr wohl über zu wenig Nährstoffe (lies: Phosphat) in den Seen. Aber der Fischerei-Verband unterstützt sowohl die Trinkwasser-Initiative wie auch die Pestizid-Initiative. Sauberkeit ist eben relativ.
Blocher: «Wir haben Rauchgasreinigung, wir haben beim Auto Abgasvorschriften eingeführt.»
Die Aussage ist korrekt. Als Begründung gegen gesetzliche Massnahmen beim CO2 und für die Problemlösung durch die Privatwirtschaft taugt sie aber nicht. Die Vorschriften für die Rauchgasreinigung wurden unter anderem ausgerechnet vom Waldsterben-«Hype» geprägt. Die Abgasvorschriften ebenso, in den letzten Jahren vor allem auch von der Klima-Diskussion.
Blocher: «Wer hat denn das Elektro-Auto, den Hybrid gemacht? Nicht der Staat, auch nicht die Grünen, sondern die Autoindustrie hat das entwickelt.»
Da hat er recht: Keine Partei und kein Staat hat neue BMWs, Mitsubishis oder Teslas entwickelt. Warum wurde die Industrie aktiv? Einerseits wegen der Ölkrise im Zuge des Golfkriegs, andererseits wegen der immer strengeren Gesetze. Die Abgasvorschriften in Kalifornien gelten als Impulsgeber, mit Null-Emissions-Autos können die Auto-Importeure aber auch die Schweizer Abgasvorschriften besser einhalten.
Unnützes Wissen mit Christoph Blocher
Blocher: «In Asien – China, Taiwan, auch Japan – sind die führenden Leute alles alte Männer. Die meisten über 70. Weil die Erfahrung zählt.»
China: Xi Jinping (Staatspräsident, 65 Jahre), Li Keqiang (Ministerpräsident, 63), Jack Ma (Alibaba Group, 54), Ma Huateng (Tencent, 47), Robin Li (Baidu, 50), Tian Guoli (Bank of China, 50), Ren Zhengfei (Huawei, 74), Yang Yuanqing (Lenovo, 54).
Taiwan: Tsai Ing-wen (Staatspräsidentin, 62), Su Tseng-chang (Premierminister, 71), Jason Chen (Acer, 58), Jonney Shih (Asus, 66), Terry Gou (Foxconn, 68), Cher Wang (♀, HTC, 60), King Liu (Giant, 84).
Japan: Shinzo Abe (Premierminister, 64), Akihito (Kaiser, 85), Naruhito (Kaiser ab 1.5.2019, 59), Takahiro Hachigo (Honda, 59), Akio Toyoda (Toyota, 61), Goro Yamaguchi (Kyocera, 63), Fujio Mitarai (Canon, 83), Kenichiro Yoshida (Sony, 59), Shigetaka Komori (Fujifilm, 79).
Blocher: «Dank uns ist das Kloster Rheinau wunderbar restauriert. Auch ein ganz grossartiges Bauwerk. Ist fast so alt wie die Notre-Dame.»
Leider falsch, aber teilweise zugunsten von Christoph Blocher. Restauriert wurde das Kloster Rheinau zuletzt 2003 bis 2005. Blocher hat dagegen ab 2014 das Projekt «Schweizer Musikinsel Rheinau» mitfinanziert – zu einem Drittel.
Zum zweiten Teil der Aussage: Das sollte Christoph Blocher als Kunstsammler aber besser wissen. Das Kloster Rheinau wurde etwa 778 gegründet und erhielt 1114 eine romanische Basilika. Im 18. Jahrhundert wurden Teile im barocken Stil erneuert.
Die Kirche von Notre-Dame wurde in den Jahren 1163 bis 1345 errichtet, im fühgotischen Stil. Rheinau ist also nicht fast so alt, sondern älter.
Und dann noch: Die SVP
Blocher: «Die Partei hat die Aufgabe, das zum Ausdruck zu bringen, was sie für richtig findet (1). Sie hat nicht Nein zur Finanzvorlage gesagt (2). Aber unbestritten ist: Diese Vorlage ist ein Murks (3). Die Partei habe Stimmfreigabe beschlossen (4).»
Fast ein Volltreffer, denn (1) ist wohl wahr, (2) korrekt, aber (3): Unbestritten? Haben Sie den Pin am Revers ihres Bundesrates gesehen? Ein Doppelplus. (4) Hier hat Christoph Blocher wieder gut aufgepasst: Das war tatsächlich der Entscheid an der DV von Ende März.
Blocher: «Die Partei ist in einem guten Zustand. Sie ist sattelfest und schwankt nicht. Sie sitzt auch nicht der Modeströmung Klima auf, sondern behält einen klaren Kopf.»
Nun ja, das ist schwierig zu qualifizieren. Das ist eine Glaubensfrage. Wie wenn eine Religion etwas verkündet und Sie wollen sagen, das stimmt nicht: Da sind Sie machtlos.