Fremde Richter Teil 2: Laientheater und Nazi-Parolen

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Fortsetzung der Debatte zur SVP-Selbstbestimmungsinitiative: Wenig neue Erkenntnisse, aber Theaterperformances, Missverständnisse und eine heikle Wortwahl.

Das Wichtigste in Kürze

  • In der 2. Debatte zur Selbstbestimmungsinitiative glänzte die SVP mit Showeinlagen.
  • Die Parole «Schweiz erwache!» löste aber ungute Erinnerungen an Nazi-Propaganda aus.
  • Neue Argumente gab es kaum: Befürworter und Gegner redeten aneinander vorbei.

Der Nationalrat hat am Mittwoch die Debatte zur Selbstbestimmungsinitiative der SVP fortgesetzt. Erneut ging es um grosse Themen – um Demokratie, Rechtsstaat, Freiheit und die Frage, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen. Aber auch Showeinlagen fehlten nicht.

Marionetten und erwachende Schweizer

SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi hatte eigens eine Marionette organisiert, um die von der SVP befürchtete Unabhängigkeit der Schweiz von Europa bildlich darzustellen. Nicht nur Puppen- sondern echtes Theater bot SVP-Nationalrat Andreas Glarner: Er klebte sich den Mund mit europa-blauen Klebstreifen zu – und schwieg. Ein sichtlich irritierter, weil hinter ihm sitzender Nationalratspräsident Dominique de Buman fragte: «Was geht vor?»

Nach seiner halben Schweigeminute setzte Glarner mit den Worten fort: «Schweiz erwache!» Dass dies auch der heute noch bei Neo-Nazis beliebten Parole «Deutschland erwache!» aus dem «Sturmlied» ähnelt, wird ihm wohl bewusst gewesen sein. Er wiederholte den Ausdruck auch gegen Ende der Rede.

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Was für ein Theater: Die Schweiz als Marionette, ein unmissverständlich schweigender Redner und ein Sozi, den keiner verstehen will. - Nau

SVP-Wortwahl: «Sehr heikel»

Von solcherlei Polemik persönlich betroffen zeigt sich FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (s. Video): «Das ist sehr heikel. Es ist auch genau der Punkt in dieser Initiative, den ich heikel finde», streicht der schwule Parlamentarier heraus.

Man gehe davon aus, dass «wir in der Schweiz alles nur redliche Gutmenschen oder Bessermenschen sind» und demzufolge es bei uns nicht möglich sei, auch einmal Unrecht zu tun. Eine solche Haltung sei gefährlich. Es brauche die Möglichkeit, sich für seine Rechte zu wehren – zum Beispiel als homosexuelle Minderheit.

Aneinander vorbeigeredet

Einen schweren Stand hatte SP-Nationalrat Cedric Wermuth. Er verglich die Initiative mit der Fussball-WM («Die SVP gegen das Volk»), streifte den französischen Revolutionär Maximilien de Robespierre und machte einen Exkurs zur «Willkürherrschaft der Mehrheit über die Minderheit» im Gegensatz zur «Gleich-Ursprünglichkeit».

Weder Magdalena Martullo noch Erich Hess (beide SVP) hatten ihn verstanden, wofür sich Wermuth entschuldigte und Besserung gelobte (s. Video). Entscheiden wird der Rat erst kommenden Montag nach einer Open-End-Sitzung. Insgesamt 83 Ratsmitglieder wollen sich äussern. Bisher kam etwa die Hälfte zu Wort.

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