Gegner der 99-Prozent-Initiative sehen KMU-Standort in Gefahr
Fünf gewerbenahe Parlamentarierinnen und Parlamentarier präsentierten am Dienstag in Bern ihre Argumente gegen die Initiative.
Das Wichtigste in Kürze
- Über die 99-Prozent-Initiative der Juso wird am 26. September abgestimmt.
- Das Volksbegehren sei «nicht durchdacht und falsch konstruiert», argumentieren die Gegner.
Ein vom Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) angeführtes Wirtschaftskomitee bekämpft die sogenannte 99-Prozent-Initiative der Jungsozialistinnen und -sozialisten (Juso). Das Volksbegehren sei «nicht durchdacht und falsch konstruiert», argumentieren die Gegner.
Über die 99-Prozent-Initiative der Juso wird am 26. September abgestimmt. Sie verlangt, dass Kapitaleinkommen wie Zinsen, Mieterträge oder Dividenden eineinhalbmal so stark besteuert werden wie Lohneinkommen. Bis zu einem bestimmten Betrag sollen die Kapitaleinkommen zu 100 Prozent besteuert werden. Die Mehreinnahmen sollen dazu verwendet werden, die Einkommenssteuern für Personen mit tiefen und mittleren Löhnen zu senken.
Fünf gewerbenahe Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus den Reihen der Mitte-Partei, SVP, FDP und GLP präsentierten am Dienstag in Bern ihre Argumente gegen die Initiative. Diese gaukle vor, dass nur ein Prozent der Bevölkerung verlieren und 99 Prozent gewinnen würden, lautete der Tenor. In Wahrheit sei das Anliegen aber «100 Prozent schädlich für 100 Prozent der Schweiz», sagte Fabio Regazzi, Tessiner Mitte-Nationalrat und SGV-Präsident.
«Katze im Sack»
Er begründete dies unter anderem damit, dass die Schweiz bei einem Ja zur Initiative Investitionen und Steuersubstrat verlieren würde. Unklar bleibe, was überhaupt besteuert werden solle. Die entscheidenden Begriffe würden nicht definiert, der Initiativtext lasse so ziemlich alles offen. «Damit kaufen wir die Katze im Sack.»
Regazzi bezeichnete die Initiative als «gefährlich». Wer ein Unternehmen führe, einen Bauernbetrieb besitze oder auch an einem Start-up-Unternehmen beteiligt sei, müsse mit der Initiative «massiv mehr Steuern zahlen». Betroffen seien insbesondere der Mittelstand und die KMU.
Die Thurgauer SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr ist selber Chefin eines Familienbetriebs. Sie befürchtet, dass die Initiative, welche die Kapitalerlöse neu mit bis zu 150 Prozent besteuern will, insbesondere jene Firmen mit «starker Wucht» treffen werde, die eine Nachfolgeregelung einleiten wollten, also rund 70'000 Unternehmen in den nächsten fünf Jahren.
«Widersprüchlich und geradezu absurd»
Berechnungen zu den Auswirkungen der neuen Steuer hätten ergeben, dass der Verkaufspreis der Firma um 39 bis 165 Prozent erhöht werden müsste, um die neue Steuer abzugelten, sagte Gutjahr. Mit einem höheren Verkaufspreis werde es aber unwahrscheinlicher, überhaupt eine Nachfolge zu finden.
«Nach der Pandemiekrise benötigt die Schweizer Wirtschaft eine Vitaminspritze», führte die Waadtländer FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro ins Feld. Es sei «widersprüchlich und geradezu absurd», Unternehmen während der Covid-Krise zu unterstützen und ihnen diese Mittel nach der Krise gleich wieder zu entziehen.
Ein Ja zur 99-Prozent-Initiative würde die wirtschaftliche Position der Schweiz weiter schwächen und den Wohlstand gefährden, hielt de Quattro fest. Kapital sei sehr volatil. Werde es zusätzlich besteuert, wandere es ins Ausland ab.
Vorwurf der «einseitigen Moral»
Die Baselbieter FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger warf den Initianten eine «einseitige Moral» vor. Sie frage sich, wieso ein Franken Kapitaleinkommen stärker belastet werden solle als ein Franken Arbeitseinkommen. «Wir können es uns nicht leisten, die guten Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu verlieren.»
Auch die Berner Nationalrätin Kathrin Bertschy von der GLP ist gegen die Initiative. Die Schweiz sei für ihre Innovationskraft bekannt und verfüge über ein gesundes Umfeld für eine «vitale Gründerinnen- und Gründerszene». Mit der Initiative würde diese Attraktivität der Schweiz für die Start-up-Szene wegbrechen, sagte sie.
Würden die heute steuerfreien Kapitalgewinne mit bis zu 150 Prozent besteuert, falle der Erlös für Gründerinnen und Gründer deutlich geringer aus. Sie müssten den Verkaufspreis massiv erhöhen, was wiederum mögliche Investorinnen und Investoren abschrecke.