Impfpflicht könnte auch in der Schweiz Thema werden
Das Pflegepersonal in Frankreich muss sich zwingend impfen lassen. Kommts auch in der Schweiz dazu? SP-Fraktionschef Roger Nordmann schliesst das nicht aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Frankreich verfügt eine Impfpflicht für das Spital- und Pflegepersonal.
- SP-Fraktionschef Nordmann hofft, dass sich das Schweizer Personal freiwillig impfen lässt.
- Auch hier könnten Beizen-Besuche für Menschen ohne Zertifikat beschränkt werden.
Die Delta-Variante hat sich in ganz Europa ausgebreitet, die Fallzahlen steigen praktisch überall wieder an. Noch ist die Situation in Spitälern fast nirgends kritisch. Doch allenthalben bereiten sich die Regierungen auf eine vierte Corona-Welle im Herbst vor.
Besonders drastisch machen das die Franzosen – mit einer teilweisen Impfpflicht. Bis Ende September muss im Nachbarland der Schweiz das Spital- und Pflegepersonal geimpft sein. Wer das nicht will, darf nicht mehr arbeiten und verliert den Anspruch auf Lohn.
Erschwert werden soll Ungeimpften auch der Besuch von Restaurants, Kinos und Veranstaltungen. Dazu braucht es bald zwingend ein Zertifikat als Nachweis, dass man geimpft, getestet oder genesen ist. Frankreich setzt dabei auf möglichst viele Geimpfte, denn der Corona-Test wird nicht mehr vom Staat bezahlt.
SP-Nordmann: «Ich verstehe Frankreichs Entscheid»
Werden solche Massnahmen bald auch in der Schweiz zum Thema? Führende Politiker schliessen das nicht aus. Nationalrat Roger Nordmann, Fraktionschef von Gesundheitsminister Alain Bersets SP, spricht auf Anfrage von Nau.ch Klartext.
«Ich verstehe den Entscheid der französischen Regierung, was die Altersheime und Spitäler betrifft», sagt er. Denn dort habe die Epidemie gewütet. Doch braucht es eine solche Impfpflicht schon bald auch in der Schweiz?
«Ich hoffe, dass es bei uns nicht so weit kommen wird und dass sich das Gesundheitspersonal freiwillig impfen lassen wird», so Nordmann vielsagend. Das sei oft der Fall. Aber: «Ganz ehrlich, als Pflegefachmann würde ich nicht riskieren wollen, meine Patienten mit einer schweren Krankheit anzustecken!»
Beizen-Besuch in der Schweiz nur noch mit Zertifikat?
In Bezug auf die Beschränkung von Restaurant-Besuchen sagt Nordmann, es gelte eine Abwägung vorzunehmen, falls die Spitalbelastung kritisch werde. «Mühsame Massnahmen» für alle oder nur für Ungeimpfte?
Seine Antwort ist klar: «Ganz ehrlich, ich sehe nicht ein, wieso man Bistros oder Theater für Geimpfte schliessen müsste, wenn diese ihre Verantwortung wahrgenommen haben.» Aktuell gilt, dass Restaurants zum «orangen Bereich» gehören, wo Zertifikate nicht vorgesehen sind, solange die epidemiologische Lage es zulässt.
Nordmann ist denn auch überzeugt: «Wenn einschneidende Massnahmen verhängt werden, dann werden geimpfte Personen von diesen weitgehend ausgenommen werden.» Jede und jeder könne sich impfen lasse. Das empfiehlt Nordmann denn auch allen Personen über 12 Jahren.
FDP-Dobler will Eigenverantwortung statt Impfpflicht
Ganz anders tönt es auf bürgerlicher Seite. FDP-Nationalrat Marcel Dobler lehnt eine Impfpflicht klar ab. «Wenn man Macht hat, nutzt man sie auch. Es ist inakzeptabel ohne demokratische Legitimation eine Impfpflicht einzuführen», so der St. Galler.
«Ich bin klar gegen eine direkte und indirekte Impfpflicht». Nun sei die «Zeit der Eigenverantwortung» gekommen. Er sieht gerade bei den aktuellen Fallzahlen keine Legitimation mehr für Einschränkungen.
«Warum soll ich als gesunder, doppelt geimpfter junger Mann bei freiwillig 80 % geimpften vulnerablen Personen und frei verfügbaren Impfungen noch eine Maske tragen?», fragt er sich. Antworten auf solche Fragen könnte es am 11. August geben.
Dann findet die erste Bundesratssitzung nach den Sommerferien statt. Wie die Landesregierung mit der Problematik steigender Fallzahlen umgeht, ist nicht in Stein gemeisselt. Allerdings ist eine Zertifikats-Pflicht etwa für Restaurant-Besuche sicher nicht vom Tisch.