Kinderarbeit in Burkina Faso: Konzern-Debatte geht weiter
Das Wichtigste in Kürze
- Die Konzern-Initiative ist Thema eines Medienberichts aus Burkina Faso.
- Ein Schweizer NGO wird beschuldigt, Fotos von Kinderarbeit gestellt zu haben.
- Isabelle Chevalley, Gegnerin der Initiative und Nationalrätin (VD/GLP) steht im Zentrum.
Die Konzern-Initiative ist auch in betroffenen Ländern Thema der medialen Debatte. In Burkina Faso, einem afrikanischen Land bekannt für seine Baumwollproduktion, steht das NGO Solidar Suisse in der Kritik. Ein burkinischer Journalist beschuldigt Solidar, gestellte Fotos von Kinderarbeit produziert zu haben.
Pikant: Im Zentrum steht auch die grünliberale Nationalrätin Isabelle Chevalley. Die Gegnerin der Initiative kennt Burkina Faso sehr gut, besitzt sogar den Diplomaten-Pass für das Land. Und sie sponsert das Radio, für welches der Journalist arbeitet.
Chevalley skeptisch gegenüber Kinderarbeit-Studie
Doch von Anfang an. Solidar Suisse gibt eine Studie beim burkinischen Forschungsinstitut CERFODES in Auftrag, die das Phänomen der Kinderarbeit untersuchen soll. Dabei kommt heraus, dass 250'000 Kinder im Alter von 5 bis 17 Jahren im Baumwollanbau arbeiten.
Solidar Suisse veröffentlicht Anfang 2019 einen Bericht über die Resultate von Cerfodes im Zusammenhang mit der Konzern-Initiative. Der Bericht ist mit Fotos und Aussagen von Kindern illustriert, die auf den Feldern arbeiten.
Die Nationalrätin und Konzern-Initiative-Gegnerin Isabelle Chevalley liest den Bericht, er macht sie stutzig. Sie schlägt einem Journalisten des Lokaladios «Tankonnon» vor, eine Feldrecherche zu tätigen, um die Echtheit des Berichts zu prüfen.
Dieser reist zweimal in die Zonen, wo Solidar die Fotos und Aussagen sammelte. Chevalley übernimmt die Spesen für beide Reisen, wie sie der «NZZ am Sonntag» bestätigt.
Aussagen gegen Solidar
Die Ergebnisse: Solidar soll die Fotos gestellt haben, die Kinder sollen gar keine Arbeit geleistet haben. Und Solidar soll den Bauern versprochen haben, ihnen finanziell zu helfen. Die Versprechen seien aber nicht eingehalten worden.
Der Bericht wird von «Tankonnon» am 9. Oktober 2020 veröffentlicht. Die Geschichte wird kurz darauf in verschiedenen Schweizer Medien aufgegriffen, Solidar wehrt sich gegen die Vorwürfe. Das NGO wirft dem Journalisten und Chevalley vor, Fake News zu verbreiten, um Solidar zu diskreditieren.
Der Journalist macht in seinem Dokument Anschuldigungen, die für Solidar nur schwer als falsch beweisbar sind. Beispielsweise schreibt der Burkinabé, die Aufnahmen der Kinder seien in den Schulferien gemacht worden. Deswegen hätten die Kinder ihre Eltern auf die Arbeit begleitet, hätten aber keineswegs illegale Kinderarbeit geleistet.
Solidar wehrt sich
Die beiden Fotografen, mit welchen Solidar arbeitet, beteuern nun aber, im November in Burkina Faso gewesen zu sein. Es steht Aussage gegen Aussage.
Ein Vater der auf den Fotos abgebildeten Kinder soll dem Journalisten erzählt haben, er sei von Solidar angelogen worden. Die Tonaufnahme ist auch auf Chevalleys Facebook-Seite zu finden. Das Gespräch findet in der lokalen Sprache statt, der Journalist übersetzt in Echtzeit. Das NGO habe dem Vater gesagt, die Fotos würden für Werbezwecke gebraucht. Er fühle sich von Solidar beleidigt.
Solidar beteuert aber, die Eltern korrekt zum Zweck der Fotos informiert zu haben. «Einverständniserklärungen wurden von den Eltern oder gesetzlichen Vertretern der Kinder unterzeichnet», schreibt Solidar in einer Antwort.
Doch Chevalley lässt nicht locker. Es sei «lächerlich», den Eltern eine Einverständniserklärung zur Unterzeichnung gegeben zu haben, sagt sie zu Nau.ch. Der Vater, der im Bericht von «Tankonnon» vorkommt, spreche kein Französisch und sei Analphabet. Solidar winkt ab; der Dialog geschah mit einem Übersetzer und einer lokalen Mitarbeiterin, bestätigt die Organisation auf Anfrage.
«Tankonnon»-Journalist ist Plagiarist
Solidar macht dem Journalisten auch Plagiatvorwürfe, und diese sind leicht zu verifizieren. Tatsächlich bedient sich der Autor mehrmals beim Kinderarbeit-Bericht von Solidar für Kontextinformationen, ohne dies zu zitieren. Zudem übernimmt er Passagen aus zwei Studien über Kinderarbeit im Benin, ersetzt aber «Benin» einfach mit «Burkina Faso».
Auch Isabelle Chevalley ist Opfer des Plagiats: Zwei Aussagen aus einem Gastkommentar von ihr im «Temps», einer Genfer Zeitung, stehen im Bericht von «Tankonnon», ohne Chevalley als Urheberin zu kennzeichnen.
Für Solidar ist dies Beweis genug, dass die Arbeit des Journalisten auf «unseriöse und unehrliche» Art und Weise verrichtet wurde. Isabelle Chevalley widerspricht: «Das Dokument von Tan Kon Non enthält keine falschen Informationen. Was Solidar beschreibt, ist genau falsch.»