Krankenkassen: Wer ist schuld am Prämien-Schlamassel?
Alain Berset beschuldigt die Parlamentarier, bei den Massnahmen gegen steigende Prämien der Krankenkassen zu bremsen – was diese nicht auf sich sitzen lassen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat habe alles gegen die Krankenkassen-Prämien getan, das Parlament bremse.
- Diesen Vorwurf von Alain Berset lassen die Parlamentarier nicht gelten.
- Sowohl der Bundesrat als auch das BAG könnten durchaus noch mehr tun, heisst es.
Die Prämien der Krankenkassen steigen seit Jahrzehnten stark an. Die Politik versucht Gegensteuer zu geben, allerdings mit mässigem Erfolg. Den nächsten Anlauf nahm Gesundheitsminister Alain Berset mit dem neuen Massnahmenpaket.
Doch auch hier liess der Bundesrat durchblicken, dass dieses nicht ein Game-Changer sein werde. Vielmehr versuche die Regierung, die letzten verbleibenden Möglichkeiten auszuschöpfen.
Der Bundesrat habe bereits viele Vorschläge gemacht, die grosse Einsparungen bei den Krankenkassen bringen würden. Die Schuld daran, dass bei der Kostendämpfung kaum Fortschritte gemacht würden, trage das Parlament.
Marcel Dobler (FDP): Sparpotenzial kleiner als jährlicher Prämienanstieg
Das lassen die Parlamentarierinnen und Parlamentarier nicht auf sich sitzen. Immerhin bei zwei Sachen ist FDP-Nationalrat Marcel Dobler mit Alain Berset gleicher Meinung: Das Kostenwachstum bei den Krankenkassen muss gedämpft werden und «das Sparpotential der präsentierten Massnahmen hält sich in Grenzen und wird kleiner sein als die jährlichen wachsenden Kosten.»
Doch sonst widerspricht Dobler dem Gesundheitsminister: «Ich bin nicht der Ansicht, dass der Bundesrat seine Möglichkeiten ausgeschöpft hat.» So habe er etwa Vorschläge aus dem Bericht der Expertengruppe von 2017 nicht übernommen.
Der Gesundheitspolitiker kritisiert, dass die im System vorhandenen Fehlanreize nicht angegangen und eliminiert würden. «Wenn statt mehr Wettbewerb mehr Verstaatlichung das Ziel des Bundesrates ist, ist das der falsche Weg.»
Vernetzung der Politik mit Branche ist «haarsträubend»
Manuela Weichelt spricht von einem typischen «Schwarze-Peter-Spiel». Die Grünen-Nationalrätin erklärt: «Die Vernetzung der Mitglieder der Gesundheitskommission mit den Akteuren der Branche ist haarsträubend.»
Tatsächlich ist die Liste der Interessensbindungen der Parlamentarier lang: Von den Verwaltungsräten der Krankenkassen oder Spitäler, über das Vorstandsmitglied des Ärzteverbandes bis hin zu Vorstandmitglieder der Spitex ist alles dabei.
Mitte-Humbel: «Problem ist die mangelnde Umsetzung der Gesetze»
Ruth Humbel, ebenfalls Mitglied der Gesundheitskommission, teilt die Einschätzung des Bundesrates «nur bedingt». «Ich sehe die Probleme vielmehr in der mangelnden Umsetzung und Durchsetzung beschlossener Gesetze», sagt die Mitte-Nationalrätin.
Humbel verweist etwa auf den Rückstand bei der Digitalisierung, Stichwort elektronisches Patientendossier, dessen Einführung mehrmals verschoben wurde.
An der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) wird seit 2009 gearbeitet. Humbel gibt Berset insofern recht, dass der Nationalrat die erste Fassung bereits vor drei Jahren an die Kommission des Ständerats übergeben habe. Doch auch das BAG sei bei der Unterstützung dieser Vorlage eher zurückhaltend.
Ärzteverband FMH hätte sich Vernehmlassung gewünscht
Der Ärzteverband FMH wehrt sich gegen die Vorwürfen, die Akteure zeigten keinen Sparwillen. «Den Ärztinnen und Ärzten ist es ein grosses Anliegen, ihre Leistungen auch kosteneffizient zu erbringen. Die Ärzteschaft unterstütze diverse Kostensparmassnahmen, insbesondere die Finanzierungsreform EFAS und die baldige Genehmigung des ambulanten Tarifs TARDOC.
Eine Bewertung der vorgelegten Revision sei derzeit noch nicht möglich. Diese sei komplex und beinhalte systemrelevante Veränderungen der Versorgungsstruktur, die man vertieft prüfen werde. «Die FMH bedauert, dass diese neu in die Botschaft aufgenommen und nicht in eine Vernehmlassung gegeben wurden.»