Longchamp zu Abstimmungs-Umfragen: Die Mitte im Sandwich
Bei der Prämien-Entlastungsinitiative wird es sehr spannend. Doch warum ist die Situation beim Stromgesetz so klar? Politologe Claude Longchamp analysiert.
Das Wichtigste in Kürze
- Gemäss Umfragen wird es bei den Prämien-Initiativen knapp, bei den anderen Vorlagen nicht.
- Politologe Claude Longchamp erläutert die Resultate.
- Die Mitte sei im Sandwich-Pech, die SP wohl im Zwist mit dem Ständemehr.
Nach den letzten Umfragen werden einige Abstimmungskomitees erst recht hibbelig. Andere wiederum können den Abstimmungssonntag vom 9. Juni ruhig angehen lassen.
Bei dem Stromgesetz und der Stopp-Impfpflicht scheint die Ausgangslage derart klar, dass auch ein Last-Minute-Effort nichts mehr bringt. Anders bei den beiden Prämien-Initiativen: Ein enges bis sehr enges Rennen steht bevor.
Woher stammen die Unterschiede bei Prämien-Entlastungsinitiative und Kostenbremse-Initiative? Warum geht der SVP beim Stromgesetz der Pfuus aus? Der Politologe Claude Longchamp macht für Nau.ch die Analyse.
Longchamp: «Mitte ist in Sandwich-Situation geraten»
Angefangen bei der Kostenbremse-Initiative: Je nach Umfrage erreicht diese noch 41 beziehungsweise 45 Prozent Ja-Stimmen, nachdem sie noch knapp im Plus gestartet war. Einerseits folge die Initiative der Mitte-Partei damit einem klassischen Muster, sagt Claude Longchamp. «Es hat aber eine spezifische Eigenheit bei der Kostenbremse-Initiative: Die Gegnerschaft kommt sowohl von links als auch von rechts.»
Die Mitte, sonst oft Mehrheitsbeschafferin, wird zwischen den Polen zerrieben, «eine klassische Sandwich-Situation», so Longchamp. Skeptische Rot-Grüne, skeptische Rechtsbürgerliche: «Die einen befürchten einen Abbau bei gesundheitspolitischen Leistungen. Die anderen finden das Rezept falsch, dass der Staat für die Kostenbremse verantwortlich zeichnen muss.»
Prämien-Entlastungsinitiative: Fifty-fifty – mit Nachteil
50 Prozent «Ja» oder «eher Ja» gegenüber 48 Prozent «Nein» und «eher Nein»: Bei der Prämien-Entlastungsinitiative sinkt der Ja-Anteil nicht ganz so weit und es bleibt spannend bis zum Schluss. Das Nein-Komitee habe punkten können mit dem Umschwenken auf die «nationale Dimension», erklärt Politologe Claude Longchamp.
Nämlich, dass ländliche, ärmere Kantone die reicheren, urbaneren Kantone finanzieren müssten. «Die Angst, dass am Schluss die Innerschweizer die Genfer und Basler mitfinanzieren müssen, hat wesentlichen Anteil am sinkenden Ja-Anteil.» Umgekehrt sei der Druck durch die Prämien enorm. Deshalb sei die Veränderung Richtung Nein weniger stark ausgefallen als vielleicht gedacht.
Ob es am Abstimmungssonntag für 50 Prozent Ja reiche, wolle er seine Hand nicht ins Feuer legen, sagt Claude Longchamp. Aber so oder so sei er skeptisch, ob es für ein Ständemehr reichen könnte – das bei Volksinitiativen notwendig wäre. «Also: Höchstwahrscheinlich eine offene Situation mit Nein-Vorteil.»
Stromgesetz: SVP kann eigene Basis nicht mobilisieren
Beim Stromgesetz darf SVP-Bundesrat Albert Rösti auf rund drei Viertel Ja-Stimmen hoffen – generell ein sehr hoher Wert. Ein hoher Wert aber auch angesichts des heftigen Widerstands, insbesondere der SVP. Eine ähnliche Situation also wie 2021 beim CO2-Gesetz mit Sieger SVP und beim Klimagesetzt vor einem Jahr mit SVP-Niederlage.
«Die ganz grosse Angst, dass hier statt der grünen eine teure Welle kommt, die ist eigentlich vorbei», so Longchamp. «Es ist der SVP nicht gelungen, nur schon ihre eigene Basis geschlossen dagegen zu mobilisieren.» Vor allem aber sei es nicht gelungen, FDPler auf die Seite der SVP zu ziehen.
«Die SVP hat nichts unversucht gelassen, auch Grüne auf ihre Seite zu ziehen», erinnert Longchamp. «Weil sie weiss, dass die Rodungen der Wälder zugunsten von Windrädern umstritten sind. Aber eigentlich sagt die Umfrage jetzt: Praktisch kein Effekt, das sollte auf keinen Fall reichen.»