Massentierhaltung: Professor warnt vor Preisexplosionen
Der Bauernverband hat eine Studie zu den Folgen der Massentierhaltungsinitiative in Auftrag gegeben. Die Befunde: Preisverdoppelung und keine Selbstversorgung.
Das Wichtigste in Kürze
- Ökonom Mathias Binswanger hat eine Studie zur Massentierhaltungsinitiative verfasst.
- Sie analysiert die Folgen, wenn die Initiative nach heutigen Bedingungen umgesetzt würde.
- Die Ergebnisse sind alarmierend. Nau.ch hat den Professor interviewt.
Der Abstimmungskampf um die Massentierhaltungsinitiative ist offiziell lanciert: Am Montag hielt das Ja-Komitee seine Medienkonferenz. Zeitgleich veröffentlichte der Schweizer Bauernverband (SBV) eine von ihm in Auftrag gegebene Studie zu den – negativen – Folgen nach einer Annhame.
Autor der Studie ist Mathias Binswanger, Ökonom, Forscher und Volkswirtschaftsprofessor. Er hat analysiert, was passieren könnte, wenn die Initiative heute umgesetzt würde.
Dies, obwohl die Initiantinnen und Initianten eine Übergangsphase von 25 Jahren vorsehen, was jedoch auch vom Bund kritisiert wird. Im Interview spricht Binswanger über die wichtigsten Erkenntnisse seiner Untersuchung.
Nau.ch: Herr Binswanger, Sie haben im Auftrag des Schweizer Bauernverbands die Folgen der Massentierhaltungsinitiative, sollte sie angenommen werden, untersucht. Was sollten die durchschnittlichen Eier-, Milch- und Fleischkonsumierenden in der Schweiz über Ihre Studienergebnisse wissen?
Mathias Binswanger: In der Studie haben wir verschiedene Szenarien angeschaut. Es ist davon auszugehen, dass eine Annahme der Initiative grosse Auswirkungen auf die Schweizer Landwirtschaft hätte und zu einer drastischen Reduktion, speziell bei der Geflügel- und Schweinehaltung, führen würde. Beim Mastgeflügel muss man damit rechnen, dass die Haltung auf zehn Prozent des heutigen Bestandes schrumpfen und damit zu einer kleinen Nische würde.
Bei den Legehennen gäbe es noch einen Drittel des heutigen Bestandes, die Schweinehaltung würde auf die Hälfte sinken. Durch die Aufgabe der Tierhaltung würde also der Selbstversorgungsgrad stark zurückgehen: Beim Geflügelfleisch von aktuell 58 Prozent auf etwa fünf Prozent, bei Eiern von 56 Prozent auf etwa 20 Prozent und bei Schweinen von 92 Prozent auf gegen 50 Prozent.
Nau.ch: Wie viel teurer werden Eier und Pouletfleisch nach Annahme der Initiative?
Mathias Binswanger: Das lässt sich nur schwer voraussagen, weil es von der Entwicklung des Einkaufstourismus, von Grenzbestimmungen und von der zukünftigen Popularität von tierischen Produkten und insbesondere Label- und Biofleisch sowie -eiern abhängt. Einfacher ist es anzugeben, um wie viel die Preise steigen müssten, damit sich die Produktion für eine Mehrheit der Tierhalter weiterhin lohnt. Dazu müssten sich die Preise für Poulets und Eier mindestens verdoppeln.
Nau.ch: Sie schreiben es selbst: Das zweite Szenario, das wahrscheinlichste, «dürfte tendenziell ein etwas zu pessimistisches Bild vermitteln». Wieso und weswegen sollte sich die Stimmbevölkerung trotzdem Sorgen machen über die Verfügbarkeit einheimischer Tierprodukte?
Mathias Binswanger: Weil selbst eine optimistischere Einschätzung zu einem starken Rückgang des Selbstversorgungsgrades führt. Wir haben auch ein hypothetisches Szenario angeschaut, bei dem es zu gar keinem Rückgang des Tierbestandes kommt. Nur würde die Haltung in diesem Fall zu dermassen hohen Kosten führen, dass die Preise unter realistischen Bedingungen nicht mehr kostendeckend wären.
Nau.ch: Sie nehmen an, dass die Nachfrage nach tierischen Lebensmitteln konstant bleiben wird. Ist es nicht denkbar, dass die Nachfrage abnehmen könnte aufgrund des gesellschaftlichen Wandels?
Mathias Binswanger: Wir machen keine generellen Annahmen über die Entwicklung der Nachfrage. Dazu fehlen vernünftige empirische Grundlagen. Wir wissen einfach nicht, wie sich der zukünftige Fleischkonsums entwickeln wird. Seit Jahren ist davon die Rede, dass die Menschen sich zunehmend vegetarisch oder vegan ernähren und weniger Fleisch essen. Nur ist das in der Statistik bis heute nicht zu erkennen. Der Fleischkonsum geht nicht zurück. Wir essen einfach etwas weniger Schweinefleisch, aber dafür mehr Geflügelfleisch.
Nau.ch: Liest man die Studie, erhält man den Eindruck, dass Bio-Landwirtschaftsbetriebe kaum rentabel sein können. Gerade prominente Bio-Bauern setzen sich aber für ein Ja zur Initiative ein. Wie erklären Sie sich das?
Mathias Binswanger: Die heutigen Biobetriebe sind deshalb rentabel, weil sie Nischenprodukte produzieren, welche für einen relativ hohen Preis verkauft werden können. Seit Jahren stagniert der Absatz von Bio- und Labelprodukten, weil sie für die Mehrheit der Konsumenten zu teuer sind.
Das Problem liegt vor allem auch darin, dass die Detailhändler zwar für Bioprodukte einen hohen Preis verlangen, aber nur wenig davon tatsächlich beim Bauern ankommt. Damit Bioprodukte aus der Nischenecke herauskommen, müssen sich diese auch für die Bauern lohnen.