Mediengesetz: Abstimmung für Longchamp völlig offen
Sollen die Medien verstärkt durch den Staat unterstützt werden? Darüber entscheidet die Bevölkerung – Politologe Claude Longchamp erwartet ein enges Rennen.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit dem Mediengesetz sollen Zeitungen und Online-Portale 130 Millionen Franken kassieren.
- Bundesrat und Parlament sind dafür. Im Nein-Lager befinden sich die SVP und die FDP.
- Polit-Experte Claude Longchamp wagt keine eindeutige Prognose.
Am 13. Februar entscheidet die Stimmbevölkerung einmal mehr über die Schweizer Medien. Diesmal geht es allerdings nicht um die SRG, sondern um die privaten Zeitungen und Online-Portale. Sie sollen künftig mit zusätzlichen 130 Millionen Steuerfranken gefüttert werden.
Bundesrat und Parlament wollen mit den Geldern eine Branche unterstützen, welche im Werbebereich grosse Ausfälle zu beklagen hat. Tatsächliche sind in den letzten Jahren Werbegelder zu globalen Playern wie Facebook oder Google geflossen.
«Dadurch mussten viele Medien Personal abbauen oder gar fusionieren», erklärt Politologe Claude Longchamp im Abstimmungs-Talk. Das sei ein langfristiger Trend. Durch die Pandemie sei zwar die Aufmerksamkeit der Medien gestiegen, «die Werbeeinnahmen gingen aber noch weiter zurück».
Bezahlschranken-Kriterium «nicht besonders glücklich»
In den Genuss von staatlicher Unterstützung würden aber nicht alle Medien gelangen. Um an die Honigtöpfe des Bundes zu kommen, dürfen Online-Medien nicht gratis sein. Voraussetzung ist eine Bezahlschranke. Dies ist in den Augen der Parlamentsmehrheit ein Qualitätskriterium.
Für Claude Longchamp ist dieses allerdings «nicht besonders glücklich» gewählt. «Man kann durchaus sagen: Es ist nicht besser, wenn man dafür bezahlt.» Ob sich Medien via Werbung oder Abo-Verkäufe finanzieren, sei ein wirtschaftlicher Entscheid.
Dennoch sieht der Politologe starke Argumente im Lager der Befürworter. Die zuständige Medienministerin Simonetta Sommaruga lancierte ungewöhnlich früh den Abstimmungskampf.
Simonetta Sommaruga kämpft für ein Ja
Sie argumentiert damit, dass in den letzten zwei Jahrzehnten über 70 Zeitungstitel verschwunden seien. Das schwäche gerade die Berichterstattung über das Geschehen vor Ort. «Damit die Bevölkerung weiss, was in ihrer Region und in der Schweiz geschieht, braucht es Zeitungen, Lokalradios, Regionalfernsehen und Online-Medien, die darüber berichten», so Sommarugas Botschaft.
Deshalb wollten Bundesrat und Parlament neben Online-Portalen auch die lokalen Medien weiter stärken. Konkret vorgesehen ist praktisch eine Verdoppelung der Unterstützung auf rund 260 Millionen Franken pro Jahr. Die zusätzliche Finanzierung wäre allerdings auf acht Jahre befristet.
Im Parlament passierte das Gesetz beide Kammern. SP und Grüne votierten geschlossen dafür, eher Ja sagten die Vertreter der Mitte und der GLP. Die FDP war gespalten, die SVP geschlossen dagegen. Die FDP hat sich mittlerweile aber dem Nein-Lager angeschlossen.
Gegner: Medienfinanzierung keine Staatsaufgabe
Das Referendum ergriffen hat indes ein Komitee namens «Staatsmedien Nein», geleitet von alt Nationalrat Peter Weigelt (FDP/SG). Unterstützt wird er unter anderem von der Kommunikationsagentur von Philipp Gut, dem ehemaligen Stv. Chefrdaktor der «Weltwoche».
Das Hauptargument der Gegner dürfte sein, dass die Vorlage ein «staatspolitischer Fehlgriff» sei. Es sei nicht die Aufgabe des Staates, die Medien zu unterstützen. «Das ist die stärkste Argumentation der Gegner», so Longchamp. Auch dürfte das Nein-Lager die Unabhängigkeit der Berichterstattung in Frage stellen.
Am ehesten vergleichbar ist die Abstimmung mit dem Urnengang zum RTVG-Gesetz. Dieses wurde 2015 mit 50,08 Prozent der Stimmen hauchdünn angenommen. Damals positionierte sich die FDP allerdings im Lager der Befürworter. Liegt also ein Nein in der Luft?
Mediengesetz: Keine klare Prognose möglich
Eine entscheidende Rolle werde die Mitte-Partei spielen, so Longchamp. Deren Präsident Gerhard Pfister lehnt die Vorlage ab, die Partei dürfte aber die Ja-Parole fassen. Ähnlich ist die Konstellation bei den Grünliberalen.
Stand heute sieht Longchamp die Befürworter eher im Vorteil. «Der Abstimmungskampf hat aber noch kaum begonnen.» Deshalb sei es aktuell zu früh für eine klare Prognose.