Millionen-Überschuss: Das können andere Kantone von Zug lernen
Der Kanton Zug kann Steuer-Überschüsse an die Bevölkerung verteilen. Wie machen die das bloss? Und soll man das abkupfern?
Das Wichtigste in Kürze
- Der Kanton Zug stellt Steuersenkungen in Aussicht.
- Grund sind Millionen-Überschüsse.
- Ökonomen erklären, was Zug besser macht – und was andere daraus lernen könnten.
Zug verspricht Steuersenkungen, nachdem bereits mit Steuergeldern die Krankenkassenprämien gesenkt wurden. Denn der eh schon steuergünstige Kanton übernimmt die nächsten zwei Jahre die Spitalrechnungen seiner Bevölkerung. Wie machen die Zuger das bloss – und könnten es andere Kantone nicht nachmachen?
«Zug macht es besser als andere»
Klar sei, dass tiefe Steuern allein für den Zuger Geldsegen nicht reichten, betonen Ökonomen übereinstimmend. «Es sind die Standortvorteile insgesamt», erklärt Reiner Eichenberger von der Universität Freiburg. «Das heisst, wettbewerbsfähig zu sein, aber dazu gehören nicht nur die Steuern. Und das macht Zug eben sehr viel besser als andere.»
Zu den Standortvorteilen gehört auch die Nähe zu Zürich. «Diese Kombination hat Zug zum erfolgreichen Wirtschaftsraum mit Sitz vieler Unternehmen aus der ganzen Welt gemacht», sagt Patrick Leisibach. Er ist Ökonom beim Thinktank Avenir Suisse.
Und von mehr kommt mehr, ergänzt Ökonom Reto Föllmi von der Uni Sankt Gallen: «Dieses Umfeld zieht Firmen und Expats an, diese ziehen weitere nach.»
Finanzschwache Kantone sind wie Sozialhilfe-Empfänger
Um auch mit weniger Vorteilen gesegneten Kantonen auf die Sprünge zu helfen, gibt es den Nationalen Finanzausgleich (NFA). Diesen könne man gut mit der Sozialhilfe als Analogie verstehen, erklärt Reiner Eichenberger. «Leute in der Sozialhilfe haben keine finanziellen Anreize zu arbeiten, wenn sie für jeden selbst verdienten Franken einen Franken weniger Sozialhilfe erhalten.»
Analog der Effekt beim NFA: «Kantone, die finanzschwach sind, werden mit dem NFA auf ein Mindestniveau gehoben. Dann haben sie aber keinen Anreiz mehr, für gute Steuerzahler attraktiv zu werden.»
Die Finanzstarken dagegen hätten weiterhin einen Anreiz, sich weiterzuentwickeln: Sie können einen Teil der Überschüsse behalten. «Da stecken wir in einem Problem drin», so Eichenberger.
Um dieses Schema zu durchbrechen, müsste es einen Bonus geben für diejenigen, die sich trotzdem verbessern, fordert Eichenberger. «Politiker, die schwache Kanton vorwärtsbringen, muss man national rühmen, denn das ist eine riesige Arbeit und Leistung.»
Nachmachen gilt – mit Vorbehalten
Das gehe auch ohne die geografischen Vorteile von Zug, lobt Reto Föllmi: «Jeder Kanton kann aus seinen Standortvorteilen etwas machen, das abgelegene Obwalden hat sich beispielsweise deutlich in der Finanzkraft verbessert.»
Beim Kanton Zug den finanziellen Erfolg abkupfern – das gehe also durchaus, sagen die Ökonomen. Mit einem Vorbehalt, mahnt Eichenberger: «Schwyz, Nidwalden und Obwalden haben sich in den letzten Jahren inspirieren lassen – aber kopieren, das geht nicht.»
Denn nicht jeder Kanton habe dieselben Voraussetzungen, sagt Patrick Leisibach von Avenir Suisse. Zug habe schon historisch eine gute Ausgangslage gehabt, streicht Reiner Eichenberger heraus: «Sie sind schon länger reich.»
Eine Reihe weiterer Faktoren spielt den Zugern in die Hände – nebst der Geografie und neu auch einem Autobahnanschluss. Eichenberger nennt Beispiele: «Sie haben bei der Besteuerung von Holdings Innovationen gemacht. Kommt dazu: Es ist nicht so zentralisiert wie etwa Freiburg. Neben der Stadt Zug gibt es auch Cham und Baar als Kraftorte.»
Risiken: Neider, Gewohnheitstiere und «Zugisierung»
Grundsätzlich verteilen die Ökonomen dem Kanton Zug gute Noten, wie er mit seinen Überschuss-Millionen umgeht. Es sei richtig, dass Steuergelder wieder an die Steuerzahlenden zurückflössen, betont Leisibach, «und damit nicht unnötige Ausgabenprojekte lanciert werden».
Die Zuger Lösung sei sehr gut, lobt Reiner Eichenberger: «Wenn man Vergünstigungen zurückgibt, muss man das richtig machen. Einfach die Steuerrechnung des letzten Jahres zu streichen, wie man das in den USA gemacht hat, bringt da wenig. Aber wenn man zukünftige Steuersenkungen verspricht, hat das eine Anreizwirkung.»
Aber alles mit Mass, mahnt Reto Föllmi: «Übertreibt man es mit Rückvergütungen, entflammt eine Diskussion über stärkeren Finanzausgleich zwischen den Kantonen.» Neider werden auf den Plan gerufen: «Wie zum Beispiel Zürich als grösste – aber überschätzte – Stadt der Schweiz», meint Eichenberger. «Das Risiko besteht, dass man dann zu Unrecht angegriffen wird: ‹Zug ist eine Made im Speck, profitiert vom attraktiven Umfeld.›»
Eine andere Gefahr sei die Zugisierung: Wegen der steuerlichen Attraktivität gibt es mehr Zugezogene, die Wohnungspreise steigen. «Was man mit den Steuern spart, muss man drauflegen für die Wohnung», rechnet Reiner Eichenberger vor. «Das heisst: Junge Zuger müssen wegziehen – was nicht derart stört, Zug ist klein, aber unschön ist.»
Etwas skeptisch sieht Patrick Leisibach die breiten Subventionierungen bei Krankenkassenprämien und Spitalaufenthalten. Der sparsame Umgang mit diesen «knappen Ressourcen» könnte so vergessen gehen. «Sie erzeugen zudem Gewöhnungseffekte – man bringt sie nur schwer je wieder weg.»
Eine sorgsame Umsetzung ist also gefragt. Welche Überlegungen genau zu diesem Entscheid in dieser Ausgestaltung geführt haben, weiss Reiner Eichenberger zwar nicht. Er ist aber überzeugt: «Wenn es Zug macht, ist es wohldurchdacht.»