Nationalrat erhöht Druck auf Bundesrat für raschere Lockerungen
Während die Erklärung keinen bindenden Charakter hat, sinken die Chancen für verbindliche Forderungen im Covid-19-Gesetz.
Der Nationalrat nahm die Erklärung seiner Wirtschaftskommission (WAK-N) am Mittwoch mit 97 zu 90 Stimmen bei 6 Enthaltungen an.
Für die Erklärung votierten SVP, FDP und Teile der Mitte-Fraktion. Dagegen stimmten SP, die Grünen und der Grossteil der Grünliberalen. Eine solche Erklärung hat keinen bindenden Charakter. Das heisst, der Bundesrat muss nicht danach handeln.
Mit der Erklärung werde der Ärger der Menschen, der sich in Briefen an die Parlamentarierinnen und Parlamentarier äussere, eine Plattform gegeben und transportiert, sagte Martin Landolt (BDP/GL) im Namen der WAK-N. Der Bundesrat könne nicht durch eine Krise führen, ohne die Bevölkerung mitzunehmen. Dafür brauche es Verständnis für die Massnahmen. Die Menschen hätten etwa nicht verstanden, wieso gut geordnete Sitzgelegenheiten in Skigebieten unsicherer sein sollten als «willkürliches Rumsitzen ausserhalb der Terrassen».
Es brauche keine weiteren Erklärungen, sagte Prisca Birrer-Heimo (SP/LU) im Namen der Minderheit. Was es brauche, sei eine wissenschaftlich, evidenzbasierte Pandemie-Bewältigung, mit der man wieder in ein normales Leben zurückkehren könne. Der Bundesrat nehme diese Aufgabe auf Basis des Epidemiengesetzes wahr - «also auf demokratisch legitimierter Grundlage». Der Wunsch, dies übersteuern zu wollen, zeuge von Selbstüberschätzung und vom mangelnden Vertrauen in die Arbeit der eigenen Bundesrätinnen und Bundesräte.
In der Erklärung wird verlangt, dass Gastrounternehmen wie auch Betriebe in den Bereichen Kultur, Unterhaltung, Freizeit und Sport am 22. März geöffnet werden. Weiter wird der Bundesrat aufgefordert, die Fünf-Personen-Regel in Innenräumen per sofort aufzuheben. Zudem sei die massvolle Nutzung von Terrassen für den Take-away-Betrieb den Kantonen umgehend zu ermöglichen.
Weiter soll der Bundesrat umgehend eine Öffnungsstrategie erarbeiten und Planungssicherheit für kulturelle und sportliche Grossanlässe schaffen. Und ganz generell soll der Bundesrat «umgehend» eine Strategieanpassung vornehmen. Anstelle von Verboten soll das Testen intensiviert, und es soll beim Impfen vorwärtsgemacht werden.
Nicht Teil der Erklärung des Nationalrats ist die Forderung der Wirtschaftskommission, dass nur noch Bundesrat und Parlament die Öffentlichkeit über die Covid-19-Massnahmen informieren sollen. Die Kommission wollte dies der wissenschaftliche Taskforce untersagen.
Weniger Chancen dürfte mittlerweile der ursprüngliche Plan der Wirtschaftskommission haben, den 22. März als Datum für grosse Lockerungen der Corona-Massnahmen in das Covid-19-Gesetz zu schreiben. SP, Grüne, GLP sind dagegen, die FDP und SVP dafür. Die Mitte-Fraktion ist gespalten, liess jedoch verlauten, dass eine solche Aktion eher vermieden werden sollte.
Der Entscheid fiel bereits in der Kommission äusserst knapp mit 12 zu 11 Stimmen. Bei der Vorlage geht es eigentlich um die finanzielle Unterstützung durch den Bund für von der Krise betroffene Unternehmen. Die Vorlage kommt am Donnerstag in den Ständerat und nächsten Montag in den Nationalrat.
Das Instrument der Erklärungen wird ansonsten im Parlament eher selten genutzt. Eine Erklärung des Nationalrats zu Corona gab es aber zuletzt Anfang Dezember in Zusammenhang zu den Skigebieten. Der Nationalrat richtete damit einen Appell an den Bundesrat, keine schärferen Vorschriften und Kapazitätsbeschränkungen für die Schweizer Skigebiete zu erlassen. Die Regierung verzichtete tags darauf in ihrer Bundesratssitzung, die Kapazitäten in den Skigebieten zu beschränken.
Ansonsten kommen die Erklärungen im Parlament eher selten zur Anwendung. Auf der Parlamentswebsite sind bis ins Jahr 2002 elf solcher Erklärungen aufgelistet, acht davon vom Nationalrat, eine vom Ständerat (zum Steuerstreit der Schweizer Banken mit den USA) und zwei vom Bundesrat (zur Corona-Pandemie und zur Irak-Krise).
Es bleibt offen, ob und welche Wirkung die aktuelle Erklärung auf die Entscheide des Bundesrats haben wird.