Der Nationalrat will Stalking-Opfer besser schützen und hat am Donnerstag einem eigenen Straftatbestand für Nachstellungen zugestimmt.
Die Anti-Stalking-Gesetzgebung war zuletzt 2017 angepasst worden. Foto: Angelika Warmuth/dpa
Der Nationalrat hat einem eigenen Straftatbestand für Nachstellungen zugestimmt. (Symbolbild) - dpa-infocom GmbH

Der Nationalrat will Opfer von Stalking besser schützen. Zu diesem Zweck möchte er einen eigenen Straftatbestand gegen Nachstellungen schaffen. Er hat am Donnerstag einer entsprechenden Gesetzesänderung zugestimmt.

In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer die Vorlage mit 151 zu 29 Stimmen bei neun Enthaltungen an. Das Geschäft geht an den Ständerat. Erarbeitet hat den Erlass zum Straftatbestand der Nachstellung die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats (RK-N). Wer jemanden beharrlich verfolgt, belästigt oder bedroht und ihn dadurch in seiner Lebensgestaltungsfreiheit beschränkt, soll gemäss Entwurf mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft werden können.

Schwelle zur Strafbarkeit zu tief angesetzt

Ein Antrag aus den Reihen der SVP, nicht auf die Vorlage einzutreten, fand keine Mehrheit. Manfred Bühler (SVP/BE) argumentierte ohne Erfolg, man solle sich bei der Strafverfolgung von Stalking auf das geltende Recht stützen. Auch seine eigene Fraktion folgte ihm nur teilweise, insgesamt 30 Ratsmitglieder waren für Nichteintreten.

Die Strafverfolgung von Stalking sei schon heute möglich, sagte Bühler. Möglich mache dies unter anderem die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Tatbestand der Nötigung. Zudem werde die Schwelle zur Strafbarkeit zu tief angesetzt, so Bühler.

Nicht jedes unangenehme Verhalten solle eine Angelegenheit für die Staatsanwaltschaft werden. Denn sonst würden die Strafverfolgungsbehörden überlastet. Die Mehrheit des Rates war aber der Ansicht, dies werde dem Charakter solcher Taten und dem Umstand, dass es um wiederholte Belästigungen gehe, nicht gerecht.

Online-Belästigung stark zugenommen

Mit der zunehmenden Bedeutung der sozialen Medien hätten namentlich Fälle von Online-Belästigung stark zugenommen, sagte Philippe Nantermod (FDP/VS) namens der Kommission. Besonders betroffen seien Kinder und Jugendliche, mit gravierenden Folgen bis hin zum Suizid. Verurteilungen in diesem Zusammenhang seien heute selten. Der Handlungsbedarf sei klar.

Maya Bally (Mitte/AG) kritisierte die bisherige Rechtslage zum Stalking. «Es musste immer zuerst etwas passieren, damit es zum Straftatbestand wurde.» Sie betonte zudem, es gehe nur um Handlungen, die beharrlich erfolgten. Als Merkmale nannte sie Obsession, Intensität und Wiederholung.

Stalking sei verbreiteter als man denke, sagte Tamara Funiciello (SP/BE). Und Opfer fühlten sich oft alleingelassen, weil die einzelnen Handlungen von Tätern als solche oft nicht strafbar seien: «Es ist erlaubt, in einem Auto zu sitzen, es ist erlaubt, jemanden anzurufen.» Stalking sei oft eine Vorstufe zu Gewaltdelikten, argumentierte Beat Flach (GLP/AG): «Das dürfen wir nicht zulassen.»

Zwei Punkte umstritten

Zwei Punkte waren in der Debatte umstritten. Der Bundesrat und eine SVP-Minderheit der Rechtskommission wollten die Strafbarkeit auf Fälle beschränken, in denen Opfer auf unzumutbare Weise eingeschränkt werden. Der Rat wollte von einer solchen Einschränkung allerdings nichts wissen.

Der Zusatz im Gesetzestext wäre unklar und würde suggerieren, dass eine gewisse Einschränkung zu tolerieren sei, kritisierte Sibel Arslan (Grüne/BS) als zweite Kommissionssprecherin. Es gehe aber gerade darum, dass solche Nachstellungen immer unzumutbar seien. Zudem wollten die Landesregierung und eine SVP-Minderheit, dass Nachstellung in allen Fällen nur auf Antrag hin verfolgt wird.

Der Rat votierte aber dafür, bei Stalking in Paarbeziehungen eine Verfolgung von Amtes wegen vorzusehen. So hatte es die Kommissionsmehrheit beantragt. Verschiedene Rednerinnen verwiesen darauf, dass Stalking oft mit häuslicher Gewalt in Zusammenhang stehe und etwa bei einfacher Körperverletzung die gleiche Regelung gelte.

Mit Beweisproblemen ist zu rechnen

Der Bundesrat war ursprünglich skeptisch gegenüber einem Stalking-Straftatbestand. Er beantragte aber Eintreten. Die Vernehmlassung habe gezeigt, dass das Bedürfnis danach gross sei, sagte Justizminister Beat Jans.

Jans warnte aber vor überzogenen Erwartungen. Es sei mit Beweisproblemen zu rechnen. Zudem werde es einige Zeit dauern, bis die neuen Rechtsbegriffe in der Praxis hinreichend klar seien.

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