Rechtsprofessor Markus Schefer kritisiert Karin Keller-Sutter scharf
Der Abstimmungskampf um die Konzern-Initiative ist hart. Rechtsprofessor Markus Schefer kritisiert die Rolle von Justizministerin Karin Keller-Sutter.
Das Wichtigste in Kürze
- Markus Schefer kritisiert Aussagen der Justizministerin im Abstimmungskampf.
- Manche Aussagen seinen unsachlich, so der Rechtsprofessor.
- Schefer beobachtet diese Entwicklung auf Bundesebene schon länger.
Nau.ch: Der Abstimmungskampf um die Konzernverantwortungsinitiative wird heiss geführt – auch von Justizministerin Karin Keller-Sutter. Ist das ein Problem?
Markus Schefer*: Wenn Economiesuisse und Public Eye aufeinander losgehen, dürfen sie das. Doch Vertreter der Landesregierung haben eine Verpflichtung zur Sachlichkeit. Sie dürfen klar Stellung beziehen, müssen die Bevölkerung aber so informieren, dass sich diese eine Meinung bilden kann. Doch davon sind wir weit entfernt.
Nau.ch: Inwiefern?
Schefer: Die Grenze wird dann überschritten, wenn die Informationen nicht stimmen. Justizministerin Keller Sutter spricht immer wieder von einer Beweislastumkehr und dass eine riesige Zahl an KMU betroffen seien. Beides kann man heute nicht so sagen.
Nau.ch: Warum?
Schefer: Es gibt viele Unsicherheiten. Im Falle einer Annahme würden Parlament und Bundesrat einen grossen Spielraum erhalten, um die Initiative umzusetzen. Und der Gesetzesgeber ist nicht dafür bekannt, besonders KMU-feindliche Regelungen aufzustellen. Aus diesem Grund ist es heute unmöglich, eine Zahl an betroffenen Firmen zu nennen – was die Justizministerin im Abstimmungskampf dennoch macht.
Nau.ch: Firmen müssten bei einer Annahme der Initiative im Falle von Menschenrechtsverletzungen beweisen, dass ihre Sorgfaltspflicht eingehalten wurde. Das ist doch eine Beweislastumkehr.
Schefer: Eben nicht. Weist ein Unternehmen nach, dass es mit angemessener Sorgfalt gehandelt hat, wird es von der Haftung befreit. Das ist keine Beweislastumkehr, sondern eine Befreiungsmöglichkeit.
Nau.ch: Ist es neu, dass der Bundesrat spekulativ argumentiert?
Schefer: Auf Bundesebene gibt es diese Entwicklung schon lange. Das ist historisch begründet: Denn vor 2007 konnten Falschaussagen bei Abstimmungen auf Bundesebene nicht vor Bundesgericht gezogen werden. Darum hat sich eine Kultur entwickelt, dass die Pflicht der sachlichen Information nicht immer genügend ernst genommen wird. In den Kantonen sieht es anders aus. Regierungen und Regierungsräte machen im Allgemeinen zurückhaltender Abstimmungskampf. Das wäre auch auf Bundesebene wichtig: Denn die Regierung hat eine andere Funktion als die Zivilgesellschaft.
Nau.ch: Im Abstimmungskampf kochen die Emotionen hoch. Geht es wirklich um so viel?
Schefer: Ich glaube nicht, dass die Annahme der Initiative grundlegende Veränderungen zur Folge hätte. Vielleicht kann es in einem Einzelfall etwas bewirken. Die Hoffnung ist, dass Unternehmen sich insgesamt auf die Situation einstellen. Doch das Grundproblem der Menschenrechtsverletzungen im Ausland lösen wird damit wohl nicht.
*Markus Schefer ist Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Basel. Seit Sommer ist er auch Präsident von Transparency International Schweiz.