Gesetz

Referendum gegen Jugendschutz-Gesetz wirft Fragen auf

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Gegen das Jugendschutz-Gesetz im Bereich Film und Games wird das Referendum ergriffen. Macht dies wirklich Sinn? Ein Kommentar.

Porno Alterskontrolle Jugendschutz
Note «ungenügend»: Pop-up-Fenster mit der Frage, ob man schon 18 Jahre alt sei, auf einer Porno-Website. - Screenshot xnxx.com

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Gesetz für den Jugendschutz im Bereich Film und Games soll gekippt werden.
  • Die Argumentation der Unterschriften-Sammler ist nicht immer einleuchtend.
  • Hat ein Referendumg trotzdem seine Berechtigung?

Wie in der «realen Welt», wie es die Operation Libero nennt, soll der Jugendschutz auch bei Games oder Streaming-Diensten gelten. Mit einem neuen Bundesgesetz will das Parlament die Jugend vor den ganz realen Gefahren schützen, die von unreal bunten Bildschirmen ausgehen.

Dagegen regt sich Widerstand, für ein Referendum werden mit allen gewalt- und jugendfreien Mitteln Unterschriften gesammelt. «Die haben doch nicht alle… Unterschriften», ist man versucht zu sagen, denn wer ist schon gegen Jugendschutz?

Früher waren wir auch nicht besser

«In der Tat», wie Bundespräsident Alain Berset zu sagen pflegt: Im Gesetz geht genau darum, zentral ist der Artikel 8. «Anbieterinnen von Abrufdiensten müssen geeignete Massnahmen treffen, damit Minderjährige vor für sie ungeeigneten Inhalten geschützt werden.» Das kann man doch wenn schon unterschreiben, nicht ein Referendum dagegen. In der Kritik stehen jedoch verschiedene Aspekte.

Porno Internet Jugendschutz
Ein Mann schaut sich auf einem Computer einen Porno an. - Keystone

Einerseits gab es schon im Parlament Stimmen, die fanden, es brauche nicht noch ein weiteres Gesetz. Die Eltern sollen selbst entscheiden, was dem Nachwuchs in Sachen nachwachsender Menschheit zugemutet werden könne. Eine durchgängige Kontrolle sei sowieso schwierig – gerade weil sich diese Jugend mit dieser Technik viel besser auskennt als unsereins.

Stimmt natürlich: Schon anno dazumal hatte jeder einen Kollegen, der sich mit der Playboy-unter-der-Matratze-Technologie bestens auskannte. Viele erzählten auch von legendären Beutezügen durch die Altpapiersammlungen ganzer Ortschaften, welche natürlich sämtliche der Wahrheit entsprachen. Und lesen wir nicht alljährlich wieder, dass bei Testkäufen Kinder kinderleicht an Alkohol und Tabak kommen, trotz Ausweispflicht?

Wehret den Anfängern

Dies allein wäre aber wohl kein Grund, gegen ein Gesetz zu sein. Denn trotz allem ist es verboten, Zigaretten an U16 abzugeben, auch wenn die Umsetzung nicht perfekt ist. Wer via VPN Ü18-Inhalte auf YouTube, Twitch oder Steam ansteuert, sollte mindestens ein ebenso schlechtes Gewissen haben wie der Altpapier-Jäger-und-Sammler. Eltern können ihre Verantwortung dennoch wahrnehmen und den 12-jährigen Sprössling den neuen Avatar-Film sehen lassen, wenn sie gleich auch mitschauen.

Schliesslich ist dieser in Deutschland und Österreich schon ab 12 freigegeben, nicht erst ab 14, wie in der Schweiz, pfff. Doch solange viele Eltern «VPN» allenfalls buchstabieren und «Grand Theft Auto» nur vom Hören, aber nicht vom Sagen her kennen, kann ein gesetzlicher Rahmen nicht schaden.

Counter-strike Game Eltern Jugendschutz
Die Mütter Christine Hippchen (r) und Kerstin Sohst spielen bei einer LAN-Party für Eltern das Computerspiel Counter-Strike. - Keystone

Die andere ins Feld geführte Kritik am Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele zielt dagegen auf die Alters-Verifizierung ab. Diese soll der Bundesrat in einer Verordnung regeln. Dass dies bewusst offengelassen wird, macht Sinn: Verordnungen sind flexibler anpassbar als Gesetze. Gewisse Mechanismen zur digitalen Alterskontrolle müssen erst noch ge- und erfunden werden.

Begrüssen Sie das Referendum gegen das Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele?

Genau hier setzt aber die Kritik an: Nur schon Alter und Geschlecht zu kennen, gibt den Inhalts-Anbietern viel Info über ihre User. Das Gesetz liest sich tatsächlich so, als gäbe es bereits eine E-ID – die das Stimmvolk aber vorläufig abgelehnt hat. Die Operation Libero schlägt als Lösung vor, dass «der Bund oder eine andere Organisation ein zentrales System anbieten» solle.

jugendschutz
Ein Schild weist auf den Jugendschutz hin. - Keystone

Über diese Schnittstelle könnten dann Anbieter feststellen, wer welche Inhalte konsumieren darf, ohne aber die genauen Hintergründe (lies: Daten) zu kennen. Die Operation Libero nennt dies «Benutzer-ID». Man könnte auch sagen «SwissID», doch die gibt es bereits und wird bereits kritisiert. Oder eine E-ID, aber eben, siehe oben.

Braucht es wirklich ein Referendum?

Die Kritik der Referendumsgruppierungen rund um Piratenpartei und Grundrechts-Verfechter, das Gesetz habe «viele Schlupflöcher» trotz «vieler Paragrafen», zielt daneben. Solches wäre Grund für eine Gesetzesrevision, nicht für eine Ablehnung als Ganzes.

Dass auf den Datenschutz ein Augenmerk geworfen werden muss, ist sicher richtig. Dass die Umsetzung des Jugendschutzes die Interessen der Bevölkerung und nicht der Anbieter priorisieren sollte, sicher auch. Gerade weil das Gesetz nichts bereits in Stein meisselt, sollte dies auch nach wie vor möglich sein.

Ein junges Mädchen mit einem Ipad.
Eltern sind oft überfordert, ihren Kinder einen angemessenen Jugendschutz im Netz zu bieten. - Keystone

Braucht es deshalb aber ein Referendum inklusive Abstimmungskampfzirkus, um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen? Ist es nicht eine Selbstverständlichkeit, die bestmögliche Lösung anzustreben, wenn auch erst im zweiten oder dritten Anlauf?

Okay, ja, vielleicht muss man einigen Leuten dies tatsächlich explizit sagen, wie sich gerade beim Thema Jugendschutz zeigt. Es reicht halt manchmal nicht, zu warnen: Hey, das solltest du dann imfall wirklich nicht tun, gell, du Schlingel.

Kommentare

Weiterlesen

2 Interaktionen
Instagram
6 Interaktionen

Mehr Gesetz

5 Interaktionen
Pestizide
58 Interaktionen

Mehr aus Stadt Bern

Janosch Weyermann
2 Interaktionen