Shitstorm gegen Alain Berset wegen «Durchseuchung» der Kinder
Mit einer Randbemerkung zum Schutz der Kinder zieht Bundesrat Alain Berset den Zorn von Eltern und Experten auf sich.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundesrat Alain Berset verneint, dass die Durchseuchung der Kinder ein Ziel sei.
- Doch werde mangels Massnahmen die Zirkulation des Coronavirus in Schulen hoch bleiben.
- Eltern und Experten reagieren irritiert auf Bersets Aussagen.
Masken rauf, Masken runter – ob und wann in Schulen Maskenpflicht gelten soll, ist ein heiss umstrittenes Thema. Genauso andere Massnahmen wie Reihentests, Lüftung oder Luftfilter. Alle paar Wochen ändern die Kantone ihre Vorgaben, je nach epidemiologischer Lage.
Seit Monaten beklagen sich Elternorganisationen und einzelne Parteien, der Bundesrat opfere die Kinder und fahre eine Durchseuchungsstrategie. Die Schweizerische Pädiatrische Gesellschaft hielt dies gar explizit fest. Die Teststrategie laufe seit Beginn der Pandemie auf eine Durchseuchung der unter 6-Jährigen, zumindest teilweise auch der 6- bis 12-Jährigen heraus.
Berset: «Nein, das ist keine Strategie»
In der Medienkonferenz vom Mittwoch sagte Gesundheitsminister Alain Berset einen Satz, der aufhorchen liess. «Wir akzeptieren, dass sich viele ungeschützt anstecken werden», so der Bundesrat in Bezug auf Ungeimpfte. Heisst das im Umkehrschluss, eine Durchseuchung der (nicht impfbaren) Kinder ist Teil der Strategie?
«Nein, das ist keine Strategie», dementierte Berset entschieden. Also Entwarnung auf der ganzen Linie? Mitnichten, denn gleichzeitig wiederholte Berset noch einmal, dass auch man in den jüngeren Altersgruppen eine erhöhte Virenzirkulation feststelle.
Was natürlich auch nicht gerade gut ist, aber für Aufregung sorgte der nächste Satz des Gesundheitsministers. «Wir sehen einfach: Wir haben keine Mittel, um diese Zirkulation zu bremsen.» Das sehen viele Zuschauer anders und machen nun ihrer Verwunderung oder Verärgerung online Luft.
«Alain Berset, zum Diktat bitte!»
Viele glaubten, sich verhört zu haben, so wie Twitter-User «Mr. Wom». Wenn «Herr Berset» sage, es gebe keine Möglichkeit, die Kinder zu schützen, könne er das schlicht nicht glauben. Schliesslich gäbe es Massnahmen – die der Account von «Bildung aber sicher» gerne noch einmal erklärt. «Alain Berset zum Diktat bitte», twittert die Eltern-Gruppierung, und schilt den Bundesrat in französischem Akzent.
Selbst Neurowissenschaftler Dominique de Quervain von der Universität Basel fühlt sich zu einem Kommentar genötigt. Der Stressexperte nimmt zwar nicht explizit Bezug auf Berset und will auf Anfrage auch nicht näher Stellung nehmen. Er wählte den Zeitpunkt wohl aber nicht zufällig, um zu betonen, dass Schutzmassnahmen wie Masken für Kinder nicht psychisch belastend seien. Die Folgen ohne Massnahmen hingegen schon, so de Quervain.
Enttäuschte Eltern nehmen Kinder aus der Schule
Nebst Schulschliessungen seien auch noch indirekte Folgen zu berücksichtigen, ergänzt Twitter-Kunstfigur «Opa Köbi» und ist damit nicht der einzige. Zahlreiche verärgerte Zuschauer fragen, ob denn ein Kind durch die – allenfalls sogar von ihm verursachte – Erkrankung von Eltern und Grosseltern nicht belastet werde. Ein Vater vergleicht die Schweizer Situation damit, Kinder ungeschützt in ein Haus in Vollbrand zu schicken. «Habe nun Kinder eigenmächtig aus der Schule genommen bis Weihnachten», so seine Konsequenz.
Gegenstimmen gibt es indes nur wenige. Ein «Michel H» hält standhaft gegen die aufbrausenden Wogen der Entrüstung mit «Meine Kinder sind ohne Maske und das ist gut so». Schliesslich gebe es auch keine wissenschaftliche Evidenz, dass Covid-19 für Kinder gefährlich sei.
Bundesrat Berset rechtfertigt die Strategie damit, dass harte Massnahmen wie Schulschliessungen möglichst vermieden werden sollten. Hier bestehe ein Konsens, und wenn es Fälle gebe, müsse man testen, müsse man die Zirkulation bremsen. Damit spricht er Zuständigkeiten der Kantone an und bestätigt, dass zumindest einige Ansteckungen von Kindern in Kauf genommen werden. «Daher wird eine gewisse Zirkulation auch nach wie vor in Schulen passieren», stellt Berset klar.