Ständerat will Wechsel zur Individualbesteuerung diskutieren
Der Ständerat hat mit einer knappen Mehrheit beschlossen, auf die Vorlage zur Individualbesteuerung einzutreten. Nun werden die Details beraten.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Ständerat ist auf einen Entwurf zur Individualbesteuerung eingetreten.
- Ab Montag werden voraussichtlich die weiteren Details diskutiert.
- Dem knappen Entscheid ging eine spannende Debatte voraus.
Der Ständerat will die Einführung der individuellen und vom Zivilstand unabhängigen Besteuerung diskutieren.
Er ist am Dienstag auf den Gesetzesentwurf des Bundesrates eingetreten, mit 23 zu 22 Stimmen. Nun werden die Details der Vorlage beraten.
Das knappe Resultat ist wenig überraschend. Vor dem Rat hatte die zuständige Kommission ebenfalls entschieden, auf die Vorlage einzutreten. Allerdings brauchte es dafür den Stichentscheid des Präsidenten Hans Wicki von der FDP.

Im September 2024 hatte der Nationalrat der Vorlage zugestimmt. Auch in der grossen Kammer fiel das Ergebnis aber knapp aus.
Das Gesetz über die Individualbesteuerung soll indirekter Gegenvorschlag sein zur Steuergerechtigkeits-Initiative der FDP Frauen. Der Ständerat konnte die Vorlage am Dienstag nicht zu Ende beraten. Die Debatte geht voraussichtlich am Montag weiter.
Bundesgerichtsentscheid von 1984
WAK-Präsident Wicki erinnerte an den Bundesgerichtsentscheid von 1984, wonach die Heiratsstrafe verfassungswidrig ist. «Nach über vier Jahrzehnten mit Initiativen, Vorstössen und Abklärungen haben wir jetzt die Möglichkeit, die Heiratsstrafe zu beseitigen.» Zudem setze die Vorlage Erwerbsanreize für Zweitverdiener.

«Es kann doch nicht sein, dass das Steuersystem mir vorgibt, ob ich heiraten soll oder nicht», meinte Thierry Burkart (FDP/AG). Die von der Gegnerschaft geltend gemachte Wirtschaftsgemeinschaft gebe es nicht nur bei der Ehe, sondern auch beim Konkubinat oder beim gemeinschaftlichen Eigentum.
Die Befürworterseite argumentierte auch mit den neuen Realitäten in der Gesellschaft und neuen Lebensmodellen. Den Kantonen, die die Vorlage in der Vernehmlassung ablehnten, wies Mathias Zopfi (Grüne/GL) eine Nebenrolle zu. Wolle man einen grundsätzlichen Systemwechsel, sei der Bund in der Hauptrolle.
«Zu mehr Arbeit erziehen»
Auf der Gegnerseite verwiesen etliche Voten auf die Kantone, die die Heiratsstrafe abgeschafft oder gemildert hätten. Werner Salzmann (SVP/BE) sprach von «ungerechtfertigten Eingriffen in die Lebensformen von Familien». Auch die vom Bundesrat prognostizierten Beschäftigungseffekte stellte er in Frage.

Marianne Binder (Mitte/AG) warnte vor einem Steuermodell, das dazu erziehen wolle, mehr zu arbeiten. Hannes Germann (SVP/SH) forderte, es solle zuerst über die Initiative abgestimmt werden. Danach könne das Parlament gegebenenfalls handeln anstatt nun einen indirekten Gegenvorschlag zu beraten.
Die Vorlage begünstige Doppelverdiener und belaste Familien mit einem Einkommen massiv mehr, sagte Pirmin Bischof (Mitte/SO). «Reichlich absurd» sei, dass alle Kantone ihr Steuerrecht korrigiert hätten nach dem Bundesgerichtsurteil. Der Bund hingegen habe nichts getan und wolle nun die Kantone zu Umstellungen zwingen.

Die Heiratsstrafe müsse weg, doch Vorschläge für Reformen hätten bisher keine Mehrheiten gefunden, stellte Finanzministerin Karin Keller-Sutter fest. Die Vorlage sei so gestaltet, dass eine Mehrheit der Steuerpflichtigen profitiere. Und: Es gehe nicht an, wegen des erwarteten Aufwandes auf die Umstellung zu verzichten.
Rücksicht auf ungleiche Einkommen
Mit Rücksicht auf ungleiche Einkommen eines Elternpaares beschloss der Ständerat, dass kinderbezogene Abzüge von einem auf den andern Elternteil übertragbar sein sollen. Geschehen soll dies im Umfang des Betrages, den ein Elternteil von den Steuern nicht abziehen kann. Ob die Eltern verheiratet sind oder nicht, spielt keine Rolle.
Um die Auswirkungen auf den Haushalt abzufedern, erhöhte der Ständerat den Kinderabzug weniger stark als dies Bundesrat und Nationalrat wollen. Von 6800 Franken soll er lediglich auf 10'700 statt auf 12'000 Franken angehoben werden.

Eine Minderheit um Eva Herzog (SP/BS) wehrte sich vergeblich dagegen. Die Erwerbsanreize würden mit der Übertragung teilweise rückgängig gemacht und der Ist-Zustand zementiert, sagte sie. Nun hat der Nationalrat darüber zu entscheiden.
Bei der direkten Bundessteuer führt die Vorlage pro Jahr zu 870 Millionen Franken weniger Einnahmen für Bund und Kantone im Jahr. Das ergaben neueste Schätzungen.