Aarburg: SVP-Bircher berät Gemeinden & kürzt Sozialhilfe
Das Wichtigste in Kürze
- SVP-Nationalrätin Martina Bircher verkauft ihre Rezepte für Einsparungen im Sozialwesen.
- GLP-Nationalrat Beat Flach staunt, dass Gemeinden dafür tatsächlich Steuergelder ausgeben.
- Im Sozialwesen brauche es keine «kurzfristige Helikopter-Beratung» durch externe Firmen.
SVP-Nationalrätin Martina Bircher gilt als die härteste Sozialvorsteherin der Schweiz – in Aarburg AG hat sie die Sozialhilfeausgaben halbiert: Die Sozialhilfequote ist von rekordverdächtigen 6,1 Prozent auf unter zwei Prozent gesunken.
Mit ihrer Beratungsfirma «Bircher Consulting» verkauft die SVP-Nationalrätin ihre politischen Rezepte an andere Gemeinden: «Bei fast jedem meiner Mandate habe ich grosses Einsparpotenzial aufzeigen können», erklärt sie gegenüber der «NZZ am Sonntag». Mit ihrer Firma habe sie bis dato rund ein Dutzend Aufträge ausgeführt, sagt Martina Bircher.
Laut der Zeitung sieht das dann so aus: Die Sozialhilfe wird etwa gekürzt, wenn eine Migrantin ihr Kind nicht in den Deutschkurs schickt. Sozialhilfe dürfe kein Dauerzustand sein, sondern höchsten eine temporäre Hilfe, betont die Politikerin der SVP.
«Braucht keine kurzfristige Helikopter-Beratung»
Dafür gibts nun Kritik: Für Nationalratskollege Beat Flach von der GLP steht fest: «Im Sozialwesen braucht es keine kurzfristige Helikopter-Beratung durch externe Firmen.» Stattdessen brauche es Leute in der Gemeinde, die sich darum kümmern und mit den betroffenen Familien reden.
Auf diese Weise könnten Arbeitssuche, Kinderbetreuung, Wiedereingliederungsmassnahmen oder beispielsweise Deutschkurse und Therapien optimal koordiniert werden. Damit würde die Chance auf nachhaltige Arbeitsmarktintegration verbessert – «besser, als wenn die Sozialhilfe einfach gekappt wird», erklärt er: «Integration bedeutet, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Asylsuchenden und übrigen Sozialhilfebeziehenden einzugehen.»
Investitionen statt Rezept der SVP?
Insbesondere bei Kindern und jungen Leuten seien Investitionen notwendig, erklärt der Grünliberale. Gleichzeitig ist der Aargauer überzeugt, dass Kürzungen als Massnahme durchaus zielgerichtet sein können – «bei Integrationsverweigerung», fügt Flach an.
Überdies brauche es dafür entsprechende gesetzliche Grundlagen. Ohnehin müsse sichergestellt werden, dass niemand unter die minimalen Lebenshaltungskosten falle und Kinder nicht darunter leiden. «Es müssen alle gleich behandelt werden, rechtlich muss alles ‹verheben› und Willkürentscheide müssen vermieden werden.»
Zukunft der Schweiz?
«Ich staune, dass Gemeinden für diese externe Beratung Steuergelder ausgeben.» Sie sollten in der Lage sein, Betreuung und Integration zu organisieren und mit den zuständigen Kantonsstellen entsprechende Massnahmen zu ergreifen.
Sollte Ihre Gemeinde auch im Sozialwesen den Rotstift ansetzen?
Ob die politischen Rezepte von Martina Bircher zu einer nachhaltigen Entlastung des Sozialwesens führen können, wird die Zukunft weisen. Martina Bircher ist ihrerseits überzeugt: «Aarburg ist die Zukunft der Schweiz – dicht besiedelt und mit einem sehr hohen Ausländeranteil.»
Ändere sich die Eidgenössische Zuwanderungspolitik nicht, werde bald «überall Aarburg» sein, so die Nationalrätin aus der SVP.