Ukraine Krieg: «Ende Sommer bis 120'000 Geflüchtete in der Schweiz»
Die Behörden informieren zum Ukraine-Krieg. Das Staatssekretariat für Migration schätzt, dass die Schweiz bis Ende Sommer 120'000 Geflüchtete aufnehmen wird.
Das Wichtigste in Kürze
- Über 48'000 Menschen sind aus der Ukraine vom Krieg in die Schweiz geflüchtet.
- Derzeit zählt das SEM pro Tag noch 300 bis 500 Ankünfte.
- Nach Schätzungen des SEM werden Ende Sommer 120'000 Geflüchtete in der Schweiz wohnen.
Insgesamt sind bisher fast 6 Millionen Menschen aus der Ukraine geflüchtet. Über 48'000 Personen haben in der Schweiz Schutz gefunden. Der Peak, an dem rund 1000 Menschen pro Tag über die Grenze kamen, ist zumindest vorübergehend vorbei. Die Herausforderung für die betroffenen Behörden und Organisationen bleibt dennoch gross.
Mittwoch, 11. Mai - die aktuellen Zahlen zur ukrainischen Flüchtlingssituation in der Schweiz:
— SEM (@SEMIGRATION) May 11, 2022
48’388 (registrierte) Geflüchtete, davon haben 45’475 Personen den S-Status erhalten. #UkraineInfoCH pic.twitter.com/w5Oj9M6JFA
Gemäss David Keller, Leiter des Krisenstabs Asyl beim Staatssekretariat für Migration SEM, werden pro Tag noch 300 bis 500 Ankünfte gezählt.
Erstmals könne das SEM eine etwas langfristigere Prognose abgeben, da sich die Lage etwas stabilisiert habe, so Keller weiter. Gemäss Berichten befinde sich der Konflikt in der Ukraine in einer Phase des «gegenseitig Stellung halten». Keller geht davon aus, dass weiterhin rund 300 Personen täglich die Schweiz erreichen werden. Bis Ende Sommer könnten es also zwischen 80'000 bis 120'000 Geflüchtete sein.
Dank des Verteilschlüssels gemäss Einwohnerzahl auf die Kantone hätten die Differenzen unter den Kantonen ausgeglichen werden können. «Wir kommen langsam in den Bereich der Proportionalität.»
Kantone und Gemeinden habe noch 7600 freie Plätze
«Es gibt in den kantonalen und kommunalen Strukturen noch mindestens 7600 freie Plätze», sagte Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren SODK. Die Behörden hätten die Krise zusammen mit der Zivilgesellschaft bisher ziemlich gut gemeistert.
Die Aufnahme von fast 50'000 Menschen sei an sich schon eine Herkules-Aufgabe – und doch kämen weiterhin neue Schutzsuchende. Mehrere Kantone kämen bezüglich Personal langsam in eine «kritische Phase». Für die Bewältigung sei die Einhaltung des Verteilschlüssels unerlässlich. Dieser habe sich bereits in vergangenen Krisen bewährt. «Die EU wäre echt froh, wenn sie einen solchen Verteilschlüssel hingekriegt hätte.»
Szöllösy betonte wiederholt die Wichtigkeit einer raschen Anmeldung der Schutzsuchenden nach Ankunft in der Schweiz. Dies helfe den Behörden, Gastfamilien und nicht zuletzt den Geflüchteten, die Abläufe möglichst reibungslos zu gestalten.
«Diese Menschen werden wohl länger in der Schweiz bleiben»
«Wir gehen aktuell davon aus, dass diese Menschen länger in der Schweiz bleiben werden», so Szöllösy. Es sehe nicht nach einem raschen Ende des Konflikts aus. Ausserdem dauere es danach eine gewisse Zeit, bis die zerstörten Städte wieder aufgebaut würden. Deswegen müssten sich alle Akteure auf einen längeren Aufenthalt einstellen können.
Und auch deshalb möchte die SODK in einen offenen Dialog mit dem Bund treten, wie die Zukunft des Schutzstatus S aussehen könnte. Dieser sei bisher bis März 2023 gültig und könne maximal auf fünf Jahre verlängert werden. Initiiert werde eine solche Abklärung jetzt, da Behörden eine gewisse Vorlaufzeit bräuchten.
Beim Schutzstatus S würden sich nach einiger Zeit Fragen stellen, etwa zur Regelung der Finanzierung staatlicher Leistungen. Oder ob ein Jugendlicher mit einem rückkehrorientieren Schutzstatus überhaupt eine Lehrstelle finde.
6,3 Milliarden Vermögenswerte gesperrt
Ein Dauerbrenner seit dem Kriegsausbruch sind ausserdem die Sanktionen gegen Russland. So fragt sich aktuell das ganze Land, wieso die Schweiz sechs Personen aus dem engen Umfeld Wladimir Putins – im Gegensatz zur EU – nicht sanktioniert.
Erwin Bollinger, Bereichsleiter beim Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, teilte mit, in der Schweiz seien noch 6,3 Milliarden an Vermögenswerten eingefroren. Hinzu kämen noch 11 Liegenschaften. Dass es weniger ist als Anfang April, liegt daran, dass inzwischen vorsorglich gesperrte Gelder wieder freigegeben wurden.
«Die Höhe der gesperrten Gelder ist aber kein Gradmesser für die Umsetzung der Sanktionen. Auch Vergleiche mit dem Ausland sind wenig aussagekräftig», warnte Bollinger.