Urkantone sollen wegen Covid-19-Gesetz Schweiz verlassen
Die Urkantone sollten sich wegen dem Covid-19-Gesetz von der Schweiz abspalten, empfiehlt Nicolas A. Rimoldi. Ginge das überhaupt, und wenn ja, wie?
Das Wichtigste in Kürze
- Mass-Voll-Gründer Nicolas A. Rimoldi fordert, dass die Urkantone die Schweiz verlassen.
- Grund: Diese haben bereits im Juni das Covid-19-Gesetz abgelehnt.
- Einem solchen Vorhaben würden durch die Bundesverfassung Steine in den Weg gelegt.
Der Tweet hat für Belustigung und Stirnrunzeln gesorgt. Das ist beim Absender – Mass-Voll-Gründer Nicolas Rimoldi – zwar nicht ungewöhnlich, das Tweet-Thema dagegen schon.
Die dem Covid-19-Gesetz skeptisch gegenüberstehenden Urkantone sollten sich vom Schweizerischen Bundesstaat lossagen, empfiehlt Rimoldi. So radikal die Forderung, so faszinierend war diese für das Twitterverse: Was wäre, wenn die das wirklich machen würden?
Verfassungslose Verfassungsfreunde
Der Vollständigkeit halber sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Rimoldi Kriterien nennt für diese Sezession, die Loslösung einzelner Landesteile. Nur, wenn die Urkantone erneut Nein sagen zum Covid-19-Gesetz und selbstverständlich «dürfen» das nicht nur Urkantone. Auch wenn das Neu-Land dann wohl eher nicht «Bündnis der Urkantone» heissen kann.
Etwas ironisch fand dies offenbar Claudio Kuster, persönlicher Mitarbeiter des parteilosen Ständerats Thomas Minder und Hobby-Polithistoriker. Gerade diejenigen, die sich «Freunde der Verfassung» nennen und aus Urkantonen stammen, sollten sich angesprochen fühlen. Denn diese Verfassungsfreunde hätten bei allen Volksabstimmungen über die Bundesverfassung eben gerade nicht zugestimmt. Sie sind aber trotz allem in der Eidgenossenschaft verblieben: «Zwangsmitglieder», nennt Kuster dies.
Schweiz ohne Schwyz
Zunächst aber übersteigt es wohl das Vorstellungsvermögen vieler, wie ein neuer Kleinstaat inmitten eines Kleinstaats überhaupt funktionieren könnte. Immerhin sind die Innerschweizer Kantone Netto-Zahler im Finanzausgleich, könnten sich also einiges leisten. Braucht es dann aber Grenzkontrollen und eine eigene Währung, wie dies die Kantone bis zur Helvetischen Republik 1798 handhabten? Könnte die Urschweiz den Euro einführen oder gleich der EU beitreten, als Nord-Süd-Trittstein der Alpen?
Ein langfristiges Überleben wäre eher zweifelhaft, einmal losgelöst von der Pandemie-Bewältigung betrachtet. Natürlich könnte man sich, wie Liechtenstein, eng an die Schweiz anbinden, aber wäre das wirklich anders, als «Zwangsmitglied» zu sein?
Man könnte dann nicht einmal mehr einen Siebtel der Ständeräte stellen und mitbestimmen. Obwohl man nur einen Zweiunddreissigstel der Bevölkerung ausmacht.
Aber: Dürfen die das überhaupt?
Kniffliger wird die Frage, ob die Urkantone ihre Zwangsmitgliedschaft einfach so kündigen könnten, was dem Prinzip von «Zwang» zuwiderlaufen würde. Tatsächlich ist selbst unter Völkerrechtlern umstritten, ob es ein «Sezessionsrecht» überhaupt geben sollte – von wegen Selbstbestimmung der Völker. Doch hier eilt Claudio Kuster mit seinem enzyklopädischen Wissen wieder zu Hilfe.
Die dem Vaterland abholden Kantone müssten wohl ein Begehren beschliessen und darauf hoffen, dass das Parlament eine Verfassungsänderung anstösst. Denn in Artikel 1 der Bundesverfassung sind alle Kantone aufgelistet.
Für den Loslösungsprozess wären die Verfassungsfreunde also darauf angewiesen, dass ebendiese Verfassung, der sie nie zugestimmt haben, geändert wird. Das wäre nur mit einer Mehrheit des Schweizer Stimmvolks möglich – welches zu 96,8 Prozent nicht in den Urkantonen wohnt.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob man den Tweet von Rimoldi wirklich für bare Münze jedwelcher Währung nehmen sollte. Immerhin ist es ein Kernanliegen der Zertifikatsgegner, eine Spaltung der Schweiz zu verhindern.
Was, strenggenommen, ja auch nicht der Fall wäre: Die Spaltpilze befänden sich dann ja in verschiedenen Staaten. Die Schweiz wäre nicht gespalten, sie wäre ein Donut – mit einem ausgestochenen Guetzli mittendrin.